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Zu gut, um wahr zu sein? Wie man Bilder und Videos verifiziert

Im Netz tauchen immer wieder manipulierte oder gefälschte Bilder auf. Gerade in Breaking-News-Situationen. Wie man wahr von falsch unterscheidet, erklärt Bernd Oswald.

Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte, heißt es. Auch wenn Bilder schon immer manipuliert werden konnten: So leicht wie im Digitalzeitalter war das noch nie. Ein Beispiel: Ein bayerischer AfD-Landtagsabgeordneter hat das AfD-Logo in blaue Luftballons hineinkopiert, die Landtagspräsidentin Aigner mit Kindern zeigt; Aigner geht nun gerichtlich gegen den Abgeordneten vor.

Oft kursieren im Netz Bilder, die zwar nicht manipuliert, aber aus dem Kontext gerissen sind. So teilte SAT1 Bayern auf seinem Twitter-Kanal bei einem Amoklauf in einer Münchner Shopping-Meile 2016 ein Bild von einem beschädigten Einkaufszentrum; dieses zeigte aber nicht das betroffene Olympia-Einkaufszentrum, sondern eine Shopping-Mall in Südafrika – und war schon mehrere Jahre alt.

Journalisten müssen daher bei jedem Bild und bei jedem Video aus dem Netz, das sie verwenden wollen, genau hinschauen und eine Reihe von Fragen klären:

  1. Sehe ich das Original-Foto?
  2. Wer hat das Foto aufgenommen?
  3. Wo wurde das Foto aufgenommen?
  4. Wann wurde das Foto aufgenommen?
  5. Warum wurde das Foto aufgenommen?

Gehen wir die Schritte zur Verifikation von Fotos (die oft auch eine Falsifikation ist) einmal im Einzelnen durch.

1. Sehe ich das Original-Foto?

Als erster Schritt bei der Bilderverifikation empfiehlt sich eine umgekehrte Bildersuche. Hier lädt man ein Bild in die Bildersuche einer Suchmaschine hoch, die dann Treffer mit identischen oder ähnlichen Bildern ausspuckt. Auf diese Weise kann man ganz oft feststellen, dass ein Bild, das als neu ausgegeben wird, in Wahrheit schon alt ist, manchmal sogar aus einem komplett anderen Kontext stammt – wie im Fall des Münchner Einkaufszentrums.

Mit der umgekehrte Bildersuche – auf englisch Reverse Image Search (RIS) genannt – will man also herausfinden, ob ein Bild nicht schon älter ist als behauptet. Die RIS beherrschen so gut wie alle Suchmaschinen:

  • Google, https://images.google.de/. Wer ein Bild bei Google Bilder hochlädt bzw. die URL eingibt, bekommt auch Seiten mit übereinstimmenden Bildern angezeigt. Da oft zusätzlich das Datum der Seite angegeben wird, kann auch das den Hinweis liefern, dass es sich bereits um ein altes Bild handelt.
  • Bing, https://bing.com. Die Microsoft-Suchmaschine funktioniert sehr ähnlich. Der Vorteil hier ist: Bing kann gut Bildausschnitte vergrößern.
  • Yandex, https://yandex.com/. Diese russische Suchmaschine ist besonders gut geeignet für Bilder aus Osteuropa und verfügt außerdem über die beste Gesichtserkennung.
  • Tin Eye, com. Der Vorteil dieser Suchmaschine besteht darin, dass man dort nach der ältesten und der am meisten bearbeiteten Version eines Fotos suchen kann.

Abbildung 1: Eine umgekehrte Bildersuche (hier mit Google) zeigt Seiten mit übereinstimmenden Bildern. So kann man herausfinden, ob Bilder schon viel älter sind als angegeben.

Ist ein Bild sehr kleinteilig, kann es sinnvoll sein, den besonders interessanten Teil herauszuschneiden und die Bildersuchmaschinen nur mit diesem Ausschnitt zu füttern. Wenn etwa ein Mensch mit Sonnenbrille vor einer Skyline steht, werden die Suchmaschinen Bilder von Menschen mit Sonnenbrille liefern, aber nicht die betreffende Stadt erkennen. Darum empfiehlt es sich in diesem Fall, die markanten Gebäude auszuschneiden und mit diesem Bild zu suchen.

Die Bilder-Suchmaschinen haben alle ihre Stärken und Schwächen: Wer nicht jedes Bild in jede Suchmaschine einzeln hochladen will, kann Browser-Plugins wie „RevEye Reverse Image Search“ verwenden. Diese Hilfe schickt das zu untersuchende Bild mit einem Mausklick parallel an Google, Bing, Tin Eye und Yandex. RevEye Reverse Image Search ist für Chrome und Firefox verfügbar.

2. Wer hat das Foto aufgenommen?

Über die Datumssuche der Suchmaschinen und der sozialen Netzwerke lässt sich die älteste Version eines Fotos ermitteln. Das kann, muss aber nicht das Original sein. Nun sollte man den Uploader kontaktieren (erst auf dem Kanal, eventuell per Mail oder, wenn möglich, telefonisch) und fragen, ob er oder sie auch der Urheber oder die Urheberin des Bildes ist. Uploader und Urheber müssen nämlich keinesfalls identisch sein.

Wenn der Uploader angibt, auch der Urheber zu sein, fragen Sie nach den Umständen der Aufnahme: An welchem Tag, zu welcher Uhrzeit und aus welchem Anlass ist es entstanden? Anhand dieser Angaben können sie weitere Plausibilitäts-Checks machen. Bitten Sie den Urheber außerdem darum, Ihnen das Bild zuzuschicken. Denn während die meisten sozialen Netzwerke Metadaten von hochgeladenen Fotos – wie Aufnahmedatum und Uhrzeit – löschen, sind diese in der Original-Datei in der Regel vorhanden, so sie nicht manuell gelöscht worden sind. Anzeigen lassen sich diese Metadaten in allen gängigen Bildbearbeitungsprogrammen oder auch mithilfe von Online-Tools wie exif.regex.info oder http://exifdata.com/.

Es kann natürlich auch sein, dass der Uploader nicht der Urheber bzw. Fotograf ist. Fragen Sie ihn, ob er weiß, wer das fragliche Bild gemacht hat. Wenn Sie keine (befriedigende) Antwort bekommen, müssen Sie weitere Checks anstellen und das Wo, das Wann und das Warum prüfen.

3. Wo wurde das Foto aufgenommen?

Überprüfen Sie bei fraglichen Fotos jeden inhaltlichen Hinweis, der Anhaltspunkte für den Aufnahmeort – und das -datum – liefert. Das geht beim Text des Posts los, mit dem das Bild veröffentlicht oder geteilt wurde, oder beim Beschreibungstext von YouTube-Videos. Wo – und wann – soll das Bild oder das Video entstanden sein und was zeigt es angeblich?

Noch wichtiger ist es, die Bildinhalte selbst genau zu analysieren. Was ist auf dem Foto zu erkennen?

  • Menschen: Welche sind zu erkennen, wie sehen sie aus, was machen sie, wie sind sie angezogen (speziell Berufskleidung und Uniformen können hier sehr aufschlussreich sein)?
  • Gebäude;
  • Straßen, Kreuzungen;
  • Fahrzeuge;
  • Fahnen;
  • Gewässer;
  • Landschaftsmarken: Erhebungen, Senken, Wälder, Felder, Wüsten …

Passt der Bildinhalt zu den im Text gemachten Angaben?

Sehr aufschlussreich sind Schilder und Beschriftungen:

  • Straßenschilder;
  • Verkehrszeichen;
  • Autokennzeichen;
  • Geschäftsschilder;
  • Gebäude;
  • Plakate;
  • Werbung (z. B. auf Bussen, Bahnen, Taxis);
  • Telefonnummern;
  • Internet-Adressen.

Wenn die Beschriftungen in fremden Sprachen sind, helfen Übersetzungsdienste wie translate.google.com oder deeplr.com weiter.

Beschriftungen lassen meist Rückschlüsse auf den Aufnahmeort oder zumindest die Region zu. Wenn man den Aufnahmeort auf diese Weise etwas eingegrenzt hat, kann man seine Vermutung anhand von Kartendiensten gegenchecken.

Hilfreich ist hier Google Maps mit seinen verschiedenen Ansichtsformen Karte, Satellit und Gelände. Besonders praktisch ist die „Street View“-Funktion https://www.google.com/maps/, mit der man eine orangefarbene Figur auf einen gewünschten Punkt in der Karte ziehen kann. Dann befindet man sich sozusagen direkt in dieser Straße und kann sich „umschauen“: Sieht es dort wirklich so aus wie auf dem zu untersuchenden Bild? Handelt es sich um dieselben Gebäude, Straßen oder sogar Gullydeckel? Bedenken muss man allerdings, dass das Bildmaterial von Google Maps nicht tagesaktuell ist. Im Street-View-Modus werden auch Fotos angezeigt, die Google-Nutzer hochgeladen haben, versehen mit einer Datumsangabe.

Sinnvoll kann auch der Blick aus der Vogelperspektive sein: Google Earth bietet gute Satellitenbilder. Es ist im Browser nutzbar, aber noch mehr Funktionen bieten die Desktop-Versionen (https://www.google.com/intl/de/earth/) und Google Earth Pro (https://www.google.com/intl/de/earth/desktop/).

Daneben können folgende Kartendienste nützlich sein:

Da das Kartenmaterial und die Einträge von Geschäften oder Einrichtungen nicht überall identisch sind, kann es sinnvoll sein, einen Ort auf verschiedenen Kartendiensten zu vergleichen. Ganz einfach geht das mit dem Chrome-Plugin Map Switcher: Mit einem Klick kann man das Auswahlmenü starten und die Koordinaten in einem der anderen angezeigten Dienste öffnen.

Abbildung 2: Das Chrome-Plugin Map Swichter erlaubt es, mit einem Klick zwischen verschiedenen (Karten-)Diensten zu wechseln.

4. Wann ist das Bild entstanden: Passen Ort und Zeit zusammen?

Wenn ein Foto (mit hoher Wahrscheinlichkeit) tatsächlich vom angegebenen Ort stammt, ist noch zu überprüfen, ob auch der angebliche Aufnahmezeitpunkt stimmt. Dieser Teil ist der schwierigste im Verifikationsprozess.

Als Erstes sollte man schauen, ob das Wetter auf dem Bild am fraglichen Tag am fraglichen Ort mit dem tatsächlichen Wetter übereinstimmt. Das lässt sich anhand von historischen Wetterdaten bewerkstelligen.

Sehr einfach geht das mit der Datenbank wolframalpha: Hier gibt man ins Suchfeld einfach „weather“, Ort und Datum ein, also zum Beispiel „weather chemnitz august 25 2018“. Angezeigt werden dann ausführliche Wetterdaten, unter anderem Temperatur, Wolkenstand und Niederschlag im Tagesverlauf. Ähnliche Funktionen bietet www.wunderground.com/history an.

Wenn man die Uhrzeit, zu der ein Bild aufgenommen wurde, zumindest näherungsweise bestimmen will, muss man sich die Schatten auf dem Bild genauer anschauen. Welche Objekte werfen wie große Schatten wann in welche Richtung? Für diesen Schritt ist https://www.sonnenverlauf.de/ eines der besten Tools. Hier kann man Ort, genaue Adresse, Datum und Uhrzeit und die Höhe des Objektes, dessen Schattenwurf untersucht wird, eingeben. Sonnenverlauf.de zeigt dann einen (genordeten) Kartenausschnitt an, auf dem die Position der Sonne zum genannten Zeitpunkt zu sehen ist – und damit auch der Schattenwurf.

Wenn man weiß, ob ein auf dem Bild zu sehendes Gebäude zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht oder nicht mehr existiert hat, kann das ebenfalls Hinweise liefern, ob der angegebene Zeitpunkt zutreffen kann oder nicht.

Wenn keine überprüfbaren Angaben zum Aufnahmedatum gemacht werden, sollte man nach Hinweisen suchen, die zumindest eine grobe zeitliche Einordnung erlauben. Zum Beispiel:

  • Anhand des Blütenstandes von Pflanzen lassen sich Rückschlüsse auf die Jahreszeit ziehen.
  • Baustellen sind immer temporär.
  • Werbeplakate (z. B. für ein Konzert oder eine Rabattaktion) werden immer nur in einem bestimmten Zeitraum verwendet.
  • Preisangaben schwanken; besonders gut eignen sich etwa die Benzinpreisanzeigen an Tankstellen.

5. Warum wurde das Foto aufgenommen?

Diese Frage lässt sich meist nur beantworten, wenn es möglich ist, mit dem Urheber in Kontakt zu treten. Dann kann man nach den Umständen der Aufnahme fragen: Aus welchem Grund war der Urheber vor Ort? Was wollte er mit der Aufnahme bezwecken?

Auch die Analyse der Aktivitäten des Urhebers in sozialen Netzwerken lässt oft die Schlussfolgerung zu, ob er vor Ort war. Manchmal auch, ob der Anlass dafür beruflich oder privat war. Aber natürlich wird es im Verifikationsalltag auch Fälle geben, in denen man eine Aufnahme örtlich und zeitlich bestimmen kann, aber nicht die Urheber und seine Motivation.

Videos in Einzelbilder zerlegen und analysieren

Die Verifikation von Videos ist aufwendiger und komplizierter. Grundsätzlich geht man aber genauso vor wie bei Einzelbildern: Videos sind schließlich nichts anderes als eine Aneinanderreihung von (30) Bildern (pro Sekunde). Aufgabe ist also, einzelne signifikante Bilder aus dem Video zu identifizieren und diese einer umgekehrten Bildersuche zu unterziehen.

Bei Videos gibt es darüber hinaus eine Reihe von technischen Aspekten, die man untersuchen kann:

  • Passt irgendetwas nicht im Ton?
  • Gibt es unnatürliche Schnitte bzw. Übergänge?
  • Variiert die Qualität der Bilder / des Tons?
  • Gibt es große Sprünge bei der Belichtung?
  • Ändert sich die Bildgeschwindigkeit?
  • Gibt es komische Schatten/Spiegelungen im Bild?

Sinnvoll ist hier der Einsatz der Slow-Motion-Funktion, denn bei einer geringeren Geschwindigkeit sind manipulierte Bilder klarer zu erkennen (z. B. mit VLC Media Player). Bei der Lokalisierung kann die Sprache helfen, die die Personen im Video sprechen. Ist eventuell sogar ein bestimmter Akzent erkennbar?

Auch bei Videos ist es wichtig, sich auf die Suche nach dem Urheber zu machen. Bei YouTube-Videos kann man den „Erst-Uploader“ herausfinden, indem man die Zahlen- und Buchstabenkombination nach dem = googelt. Von der URL https://www.youtube.com/watch?v=h4PXl-Hi_XM wäre das also h4PXl-Hi_XM. Auf der Google-Ergebnisseite sieht man meist auch das Datum der Seiten, die das Video verwenden. Eine solche Suche kann mit dem Zeitfilter im Menü „Tools“ verfeinert werden. Möglich ist es bei der YouTube-Suche auch, nach dem Hochladedatum zu filtern (linke Spalte) oder nach dem Upload-Datum (Spalte „Sortieren nach“ ganz rechts). Leider gibt es dort keine Funktion, um umgekehrt chronologisch zu sortieren. Man muss also bis zum ältesten Video scrollen.

Ein sehr nützliches Tool für die Verifikation von Videos ist das InVID-We Verify-Plugin, eine Art „Schweizer Messer“. Es zeigt unter anderem die Metadaten eines Videos an, zerlegt das Video in Keyframes (die man dann direkt für eine umgekehrte Bildersuche verwenden kann) und bietet ein Vergrößerungsglas, um einen genaueren Blick auf Bilddetails zu werfen.

Abbildung 3: Das Plugin „We-Verify“ von InVID-erlaubt einen genaueren Blick auf Videos, etwa auf die Metadaten.

Wer in einer aktuellen Nachrichtenlage Bilder und/oder Videos überprüft, sollte immer auch danach suchen, ob es von dem Ereignis weiteres (Live-)Material gibt, anhand dessen man Ort, Zeit und Inhalte gegenchecken kann.

Fazit

Die Verifikation von Bildern und Videos aus dem Netz im Rahmen der aktuellen Berichterstattung gehört zur journalistischen Sorgfaltspflicht. Auch hier sind die W-Fragen zu beantworten: Wer ist der Urheber, was ist zu sehen, wann, wo und warum ist die Aufnahme entstanden?

Um diese Fragen zu beantworten, hilft eine Kombination aus Verifikations-Tools und gesundem Menschenverstand. Journalisten sollten dabei immer skeptisch sein und sich fragen: „Kann das sein?“

Nicht immer wird sich eine Aufnahme zu 100 Prozent verifizieren lassen. Es liegt im Ermessen der Redaktion, bei wie viel Prozent Sicherheit sie das Foto oder das Bild verwendet oder nicht. In jedem Fall sollten die nicht geklärten Aspekte dann mitveröffentlicht werden. Es kann gut sein, dass Nutzer weiterführende Hinweise liefern.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Foto: Andreas Unger

Foto: Andreas Unger

Bernd Oswald ist freier Journalist für Themen an der Schnittstelle von Politik, Medien und Technik. Er ist freier Mitarbeiter bei BR24, dem trimedialen Nachrichtenangebot des Bayerischen Rundfunks, wo er sich auf Fact-Checking und Verifikation spezialisiert hat. Darüber hinaus arbeitet Oswald als Trainer für digitalen Journalismus. Er bietet vor allem Seminare zu Online-Recherche, Schreiben fürs Netz und Datenjournalismus an. Über neue Trends im digitalen Journalismus bloggt er auf er auf journalisten-training.de und twittert als @berndoswald. Kürzlich ist sein E-Book „Digitaler Journalismus. Eine Gebrauchsanweisung“ erschienen.

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