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E-Sport-Berichterstattung: „Stundenlang über Computerspiele reden“

Interview mit E-Sport-Kommentator Maxim Markow

Von der „Wirtschaftswoche“ wurde er als „Marcel Reif der Computerspiele“ bezeichnet. Kein Frage: Der 28-jährige Maxim Markow gehört zu den bekanntesten deutschen Kommentatoren im Bereich E-Sport. Das Spiel, mit dem er sich besonders gut auskennt und das er selbst leidenschaftlich gern zockt, heißt „League of Legends“. Das Echtzeit-Strategiespiel ist äußerst populär: Es wird täglich von etwa 27 Millionen Menschen weltweit gespielt. An diesem Samstag steht in Berlin das Finale der League of Legends-Weltmeisterschaft auf dem Programm, ein absolutes Highlight für alles Computerspielefans – und natürlich auch für Maxim Markow. Im Interview mit dem Fachjournalist spricht er über die Faszination von E-Sport, die Anforderungen an einen Kommentator und die gesellschaftliche Anerkennung seiner „Sportart“.

Maxim, was macht für dich die Faszination von E-Sport aus?

Ich ziehe gerne den Vergleich zum Fußball: Wir schauen alle sehr, sehr gerne Fußball. Viele von uns haben früher auch selbst aktiv gespielt und dabei natürlich den Profis nachgeeifert. Beim Computerspielen ist das ähnlich. Ich zocke ein Spiel und gucke: Wie machen das die Profis?

Allerdings ist man beim E-Sport den Profis viel näher als beim Fußball: Mit Ronaldo werde ich niemals im Leben einfach so Fußball spielen, beim E-Sport dagegen ist es gar nicht so unwahrscheinlich, eines Tages mit seinem Idol zu spielen.

Was würdest du sagen: Was zeichnet einen guten E-Sport-Kommentator aus?

Wichtig ist es, ein großes Redebedürfnis zu haben: Ich kann stundenlang über Computerspiele – egal welcher Art – reden. Und selbstverständlich muss man auf das Spiel, das man kommentiert, auch richtig Lust haben. Darüber hinaus benötigt man natürlich auch einen gewissen Ehrgeiz, um Hindernisse zu überwinden. Mir wurde beispielsweise von meiner Familie gesagt: „Maxim, das ist ein sehr seltsamer Weg, den du einschlägst.“ Ich habe geantwortet: „Nein, das ist das, was ich mag und lieb.“ Man muss dann eben auch hinter seiner Entscheidung stehen.

Aber der Job als E-Sport-Kommentator bedeutet auch viel Arbeit. Wenn ich mich an meine ersten Commentaries erinnere, bekomme ich Brechreiz. Ich habe deshalb am Anfang auch sehr viel Kritik geerntet. Der Hintergrund war der, dass ich einen Rollenwechsel vornehmen musste. Es gibt beim Kommentieren im E-Sport nämlich immer zwei Personen: eine, die den analytischen Teil übernimmt, und eine, die für den emotionalen Part zuständig ist. Ich musste den Wechsel vom analytischen zum emotionalen Kommentator vollführen. Das war nicht einfach.

Was sollte man außerdem noch mitbringen als E-Sport-Kommentator?

Man braucht auf jeden Fall eine gewisse Persönlichkeit. Jeder Kommentator hat seinen eigenen Stil, der sich mit der Zeit aber auch ändern kann. Früher fand ich es cool, besonders schnell zu reden. Mittlerweile bemühe ich mich, kraftvoller und punktgenauer zu kommentieren. So ein Wandel ist nichts Ungewöhnliches in der Kommentatoren-Szene.

Das Spiel, das du kommentierst, heißt League of Legends: Wie wichtig ist die Verankerung in der Community eines jeweiligen Computerspiels?

Die Community ist sehr strikt. Um von ihr akzeptiert zu werden, musst du das Spiel selbst gut beherrschen. Es fällt den Zuschauern einfacher, deinen Worten zu glauben, wenn du sagen kannst: „Hey, ich bin in der und der Division und bin so ein guter Spieler.“ Wenn du das Spiel nicht so gut kannst, wird deine Kompetenz als Kommentator viel stärker hinterfragt als beispielsweise bei einem Fußballkommentator, bei dem sich niemand dafür interessiert, in welchem Verein er früher gespielt hat.

Die Zielgruppe im E-Sport ist recht jung und besteht überwiegend aus Digital Natives. Welche Social-Media-Kanäle sollte man als E-Sport-Kommentator bedienen?

Am besten ist es, sich möglichst breit aufzustellen. Man muss versuchen, möglichst viele Leute über möglichst viele Plattformen zu erreichen. Viele sind bei Facebook unterwegs, noch nicht so viele bei Twitter – trotzdem macht es Sinn, sich bei beiden anzumelden und über das zu berichten, was man gerade so macht. Für mich persönlich war Youtube entscheidend, meine Youtube-Basis hat den Erfolg auf Twitch überhaupt erst möglich gemacht.

Wenn man einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat, ist es wichtig, die Follower auf dem Laufenden zu halten – das stärkt die Identifikation. Denn die Nähe zu den Fans ist sehr wichtig und ein großer Vorteil, den wir gegenüber dem Fernsehen haben. Wir sind einfach wesentlich mehr zum Anfassen da.

Trotz der hohen Zuschauerzahlen – sowohl online als auch bei Live-Events in Stadien – und der hohen Preisgelder bei Turnieren wird E-Sport von vielen Menschen hierzulande immer noch nicht richtig ernst genommen. Was denkst du: Wird sich das in absehbarer Zeit ändern?

Ich denke, mit dem fortschreitenden Generationswechsel wird sich das ändern. Die Kinder und Jugendlichen von heute wachsen schließlich mit dem Internet auf. Dass ältere Generationen noch Scheu vor E-Sport haben, ist normal – es ist halt etwas Fremdes und Unbekanntes.

Mir persönlich ist es mittlerweile egal, ob E-Sport ernst genommen wird oder nicht. Früher war das noch anders: Damals war es mir sehr wichtig, E-Sport zu verteidigen. Heute ist es so: Solange ich von meiner Tätigkeit leben kann, Spaß daran habe und andere damit unterhalte, stört es mich nicht weiter, dass es auch Leute gibt, die der Meinung sind, E-Sport sei kompletter Schwachsinn.

Im Gegensatz zu Deutschland ist E-Sport in Ländern wie Südkorea oder Brasilien offiziell als Sportart anerkannt. Was würde ein solcher Status hierzulande bewirken?

Eine offizielle Anerkennung als Sportart würde sicherlich die Akzeptanz von E-Sport in Deutschland erhöhen. Es würde auch vieles einfacher machen – etwa, was die Organisation und Struktur von E-Sport anbetrifft. Eventuell gäbe es auch Subventionen vom Staat, was natürlich sehr nützlich wäre.

Das Problem ist, dass E-Sport nicht an die Sportdefinition herankommt, die besagt, dass Bewegungselemente vorkommen müssen. Aber auch hierüber gibt es kontroverse Diskussionen: Das hat vor allem damit zu tun, dass die für den E-Sport typische Bewegung – die Koordination von Maus und Tastatur – sehr unnatürlich ist, normalerweise mögen wir synchrone oder symmetrische Bewegungen. Die Wissenschaft zeigt deshalb auch großes Interesse am E-Sport: Gefühlt ist fast bei jeder Veranstaltung ein Sportstudent da, der forscht und irgendwelche Schweißproben nimmt.

Ich glaube aber, dass es der E-Sport insgesamt nicht nötig hat, sich zu profilieren nach dem Motto „Wir müssen jetzt gesehen werden!“ Wenn wir nicht eingeschränkt werden, dann ist alles super.

Am 31. Oktober findet in Berlin in der Mercedes-Benz-Arena das Finale der League of Legends-Weltmeisterschaft statt. Die Veranstaltung war innerhalb weniger Minuten ausverkauft. Welchen Stellenwert hat das Ereignis für dich?

Einen enorm hohen. Das Finale in Berlin zu haben ist schon was Besonderes. Wir kommen zwar nicht in den Genuss, in der Halle selbst zu sein. Aber wir sind in der Position, mit „The Main“ unser eigenes Event aufzuziehen. Im Grunde verlegen wir unsere Studioproduktion für das Finalspiel der Weltmeisterschaft in die Arena Berlin und fiebern gemeinsam mit 3.000 Besuchern und tausenden Live-Zuschauern über den Stream dem Sieger entgegen.

Gerade im Hinblick auf den Kontakt zur Community ist das sehr wichtig. Denn auf Deutsch zu kommentieren ist noch lange nicht anerkannt. Zumindest nicht in dem Maße, wie ich das gerne hätte; was aber auch daran liegt, dass wir sehr gute englischsprachige Kommentatoren haben – daran wollen wir anknüpfen.

Maxim, vielen Dank für das Gespräch.

Einen Einblick in die Arbeitswelt von Maxim Markow gibt es im Videointerview:

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Maxim_MarkowMaxim Markow (28) ist einer der bekanntesten deutschen E-Sport-Kommentatoren. Angestellt ist er bei der auf E-Sport spezialisierten Marketingagentur Freaks 4U Gaming in Berlin. Markows Karriere begann auf Youtube: Dort erklärt er seit nunmehr über drei Jahren die Besonderheiten des Strategiespiels „League of Legends“. Sein Kanal „Letsreadsmallbooks“ hat über 200.000 Abonnenten.

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