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Das Schreib-Mindset: 4 Ideen für den Umgang mit Selbstkritik beim Texten

Wer Texte erstellt, der kennt sie meist: die innere kritische Stimme, die alles, was wir schreiben, infrage stellt. In diesem Buchauszug erhalten Sie Anregungen, wie Sie mit Selbstkritik beim Schreiben besser umgehen können.

Das find ich jetzt banal, das weiß man doch. Die Formulierung klingt ein bisschen gewollt. Hier schwafelst du wieder, fällt dir nichts Interessantes ein? Soll das hier witzig sein? Das würde ich streichen. Das auch. Ach, streich einfach alles.

Darf ich vorstellen: Meine innere Kritikerin. Ich hasse sie. Sie hindert mich am Schreiben, weil sie alles doof findet. Dafür, dass ich seit 20 Jahren meinen Körnertoast mit Texten verdiene, brauche ich für jedes fertige Stück ewig. Sie ist schuld – also, meine Kritikerin.

Sie plärrt mir dauernd ins Ohr, wie schlecht ich schreibe. Sie lässt sich nicht wegsperren und dann zum Redigieren rausholen. Ich habe alles versucht, um sie zum Schweigen zu bringen.

Diplomatie: »Dein Feedback ist wertvoll, danke für deinen hohen Anspruch. Ohne dich wären alle meine Texte Murks. Nur eine klitzekleine Bitte: Kannst du warten, bis ich mit der Rohfassung fertig bin? Vielleicht schreibe ich besser, wenn ich mich darauf konzentrieren kann.«

Bestechung: »Schokolade? Kaffee? Bier? Gin Tonic?«

Erpressung: »Stopp. Sonst schreibe ich nur noch Bedienungsanleitungen und AGB.«

Was hat geholfen? Nichts davon. Aber ich habe es geschafft, dass sie jetzt immer öfter die Klappe hält. Haben Sie auch eine innere Kritikerin oder einen inneren Oberlehrer, der Sie beim Schreiben behindert und zum Prokrastinieren verführt? Sie ahnen nicht, was ich alles kann, weil ich das Schreiben aufgeschoben habe: die Cello-Sonate in G-Dur von Bach auf der Altblockflöte spielen, zum Beispiel. Um diese negative Stimme zu kontrollieren, die uns vom Schreiben abhält, ist Verständnis der erste Schritt. Überlegen Sie mit mir erst mal, warum sie überhaupt da ist.

Warum ist Schreiben so aaaaanstrengend? Meine Kollegin fragte mich das in einer Mail am Wochenende. Sie ist auch Autorin, und sie bezog sich dabei aufs Buchschreiben, das uns beide echt fertiggemacht hat. Und mit fertiggemacht meine ich: Ich konnte nicht mal ins Buch reinschauen, als der Karton mit den fertigen Exemplaren ankam. Obwohl ich auf diesen Moment über ein Jahr lang hingefiebert hatte, wollte ich den Champagner nicht trinken, den mein Mann extra für diesen Moment besorgt hatte.

Und all die glühenden Rezensionen konnten das Gefühl nicht vertreiben, dass ich irgendwie Mist gebaut hatte. Über ein Jahr nach dem Schreiben konnte ich nicht richtig arbeiten. Ich war unendlich ausgelaugt, und zu jedem meiner Textversuche dröhnte das Hintergrundmantra: »Das ist langweilig. Alle wissen das schon.«

Haben Sie sich auch schon beim Schreiben gequält? Ich möchte meine Gedanken dazu nicht aufs Buchschreiben beschränken. Sie treffen auf alle kreativen Texte zu: Ihre Website. Wichtige Kundenprojekte. Alles, was Sie mit Herzblut und Hirnschmalz schreiben und vorzeigen müssen.

Ich habe bei einem langen Spaziergang überlegt, warum mich das Buchschreiben so belastet hat, dass ich mich nicht mal feiern konnte – obwohl mir Schreiben Spaß macht und meine manische Ideenmaschine nonstop läuft. Meine Theorie: Ich schreibe nicht für mich, sondern für meine Leserschaft. Deshalb muss ich mich ständig fragen: »Versteht man das? Ist das zu trivial? Stimmt das überhaupt so?«

Aber die schlimmsten Fragen gehen an die Substanz: »Finden die mich doof oder arrogant oder überdreht? Bin ich gut genug?«

Ich werde bewertet.

Nicht nur mein Fachwissen, sondern ich als Mensch. Weil ich mich als Person einbringen muss, wenn ich mehr als kahle Infos transportieren will. Ich geb’s zu: Dieser Gedanke überschattet meinen Schreibprozess. Ich weiß: Was ich gerade tippe, wird eine maskierte Jury beurteilen. Klingt paranoid und beschreibt es leider ganz gut.

Als ich mit dem Copywriting-Teaching angefangen habe, war das einfacher: Mein Publikum bestand aus besten Freunden und meinen Schwiegereltern. Sie können sich nicht vorstellen, wie schnell ich war! Ignoranz beflügelt mehr als eine Palette Red Bull.

Kennen Sie diese Bewertungsangst? Ja, sie nimmt mir oft die Leichtigkeit. Businesscoaches sagen gern, dass genau diese Angst ausbremst: »Sich zu sorgen, was andere denken, sind nur deine Gedanken über dich.« Oft zusammen mit: »Du kannst es nicht allen recht machen.« Will ich auch nicht. Ich will es nur ganz wenigen recht machen.

Aber mir ist ganz und gar nicht egal, was die Menschen denken, die mich lesen. Mir ist das sogar sehr wichtig! Sonst würde ich nicht für sie schreiben – also für Sie. Ich habe zwar keinen zugelassenen Impfstoff gegen Bewertungsangst und bösartige innere Kritikerinnen und Nörgler. Doch kann ich Ihnen vier gute Ideen liefern, wie Sie mit diesen nervigen Stimmen umgehen.

  1. Verstehen, woher die kritische Stimme kommt

Die innere Kritikerin hat Ihnen schon in der Kindheit beim Lernen geholfen. Eltern zeigen Kindern, wie man sich richtig verhält. Wenn das Kind also Schimpfe kassiert oder zumindest keinen Lolli für ein Verhalten bekommt, versteht es: Das soll ich also nicht machen. Mit der Zeit erwacht dann die Stimme der Vernunft. Das Kind denkt nach und fragt sich schon vor der Handlung, ob das so richtig oder falsch ist. Schon ist die innere Kritikerin aus vorauseilendem Gehorsam geboren. Mir hilft es zu wissen, dass die kritische Stimme aus gutem Grund da ist. Sie sorgt dafür, das ich schnell lerne.

Zugleich weiß ich, dass ich objektiv betrachtet gar nichts falsch mache, sondern mich selbst bewerte, um schlechten Erfahrungen vorzubeugen. Dieser Gedanke versöhnt mich mit meiner inneren Kritikerin. Sie erfüllt eine Funktion, aber ich kann ihr auch sagen: »Dich brauche ich gerade nicht, weil du meinen kreativen Schaffensprozess hemmst.«

  1. Eine Beziehung zum Publikum aufbauen

Je besser ich die Menschen kennenlerne, die mich lesen, desto leichter fällt es mir, für sie zu schreiben. Ich fasse Vertrauen und komme klar, wenn ich mal keine 100%ige Zustimmung bekomme. Das ist okay, genau wie wenn meine Freundin mir sagt, dass mein Zitronenkuchen ein bisschen staubig geraten ist oder dass es noch andere Themen gibt als meine schlimmen Kinder oder meinen umwerfend süßen Hund. Wir müssen nicht immer einer Meinung sein, aber wir mögen uns und können auch mal was Unbequemes sagen.

Diese Verbindung wächst, wenn ich länger für mein Publikum schreiben – etwa regelmäßige Newsletter, auf die ich Antworten bekommen, Blogartikel oder Social-Media-Posts. Interaktion stärkt die Verbindung besonders. Aber auch wenn ich Markenkommunikation betreibe, lerne ich meine Zielgruppe mit der Zeit besser kennen und fühle mich sicherer im Umgang mit ihr. Wenn ich mich immer wieder in Menschen hineinversetze, ihre Gefühle nachempfinde und über ihre Bedürfnisse sinniere, entsteht Vertrautheit. Also: Arbeiten Sie an Ihrer Verbindung zum Publikum durch direkten Dialog und aktives Hineinversetzen.

  1. Die Macht der Gewohnheit nutzen

Einer der erfolgreichsten Sachbuchbestseller der vergangenen Jahre heißt »Die 1%-Methode«. Darin beschreibt der Autor James Clear, wie man alles erreichen kann, was man möchte, indem man die passenden Gewohnheiten etabliert. Zu Beginn ist es schwierig, Gewohnheiten zu festigen. Aber sind sie erst mal gelernt, müssen wir nicht mehr darüber nachdenken. Die Gewohnheit wird zum Automatismus.

Ich gewöhne mir gerade an, kalt zu duschen, weil das die Fettverbrennung, Konzentration und das Immunsystem positiv beeinflussen soll. Die ersten Tage waren die Hölle. Ich brauchte etwa eine halbe Stunde Pep-Talk mit mir selbst, bevor ich das Wasser auf kalt stellte und vor Schnappatmung fast ohnmächtig wurde. Schon nach einer Woche atme ich tief und locker, wenn der eisige Schwall kommt. Gut, es ist immer noch kalt. Aber mich kostet es viel weniger Überwindung. Ich fühle mich so tough!

Beim Schreiben wirkt Routine auch Wunder. Ich habe mir angewöhnt, direkt morgens nach dem Kaffee in die Tasten zu hauen. Ich lese keine Mails, keine News. Dabei hat mir ein Trick geholfen: Ich habe das Handy auf lautlos und einen Timer auf 30 Minuten gestellt. Diese Zeit musste ich mir mindestens nehmen, um ohne Ablenkung zu schreiben. Der Witz ist: Mit dieser relativ kleinen Selbstverpflichtung starte ich auf jeden Fall. Ist die Zeit vorbei, bin ich im Text und im Thema drin. Jetzt kann ich weitermachen. Also setzen Sie die Hürde klein an, damit Sie ins Tun kommen. Definieren Sie entweder eine feste Zeit oder ein Wenn-dann-Szenario. Etwa nach dem Morgen-Yoga oder immer, wenn ich meine Mails beantwortet habe, ist Schreibzeit.

  1. Deadlines setzen

Es ist so primitiv, aber es hat sich für mich bewährt: Nichts motiviert mich wie eine Deadline, die unbeirrbar wie eine ferngesteuerte Zombiehorde näherkommt. Dabei muss ich gestehen: Als ich jünger war, habe ich äußere Termine ernster genommen als jetzt. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich meine Masterthesis ein paar Tage zu spät abgebe. Oder dass ich immer noch als Copywriter gebucht werde, wenn ich mir noch ein Wochenende nehme, bevor ich meinen genial durchdachten und gefeilten Text rübermaile.

Genau deshalb funktionieren bei mir Deadlines, die ich mir selbst auferlege. Ich habe verstanden, dass es meine Entscheidung ist, ob ich die Deadline ernst nehme oder nicht. Eine selbstgesetzte kann genauso wirksam sein wie eine, die von außenkommt. Genau hier setzt auch wieder die Macht der Gewohnheit ein: Je häufiger Sie sich Deadlines setzen und sich daran halten, desto leichter wird es Ihnen in Zukunft fallen, es wieder zu tun.

Mein Tipp: Setzen Sie sich nicht nur eine Schluss-Deadline, sondern auch kleinere für fertige Arbeitsschritte. Nach dem Motto: Bis Tag X ist die Recherche fertig, bis Tag Y steht die Outline, und am Tag Z um 20 Uhr ist der Artikel fertig.

Wenn Sie mit diesen Methoden an Ihrem Schreib-Mindset arbeiten, haben Sie viel bessere Chancen, dem Prokrastinieren zu entkommen und mit Begeisterung zu schreiben. Ich wünsche Ihnen von Herzen viel Erfolg dabei!

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).


Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch Texten können. Das neue Handbuch für Marketer, Texterinnen und Redakteure, das in 2., aktualisierter und erweiterter Auflage 2023 beim Rheinwerk Verlag erschienen ist.

Die Autorin Daniela Rorig entwickelte 19 Jahre lang Texte und Konzepte für klassische Werbung sowie Online- und Direktmarketing. Heute trainiert sie in Online-Kursen und Inhouse-Seminaren Texter, Redakteure und Marketer, damit ihr Content ankommt und ihre Verkaufstexte wirken.

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