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Die Blockchain-Technologie: Anwendungsbeispiele und Potenziale im Journalismus

Die Blockchain steht für Transparenz und Glaubwürdigkeit. Diese Vorzüge kann auch der Journalismus nutzen, wie verschiedene Projekte zeigen. Die Anwendungen reichen vom Bildrechtemanagement über soziale Netzwerke bis hin zu klassischen News-Sites. Doch kann die Wundertechnik auch das Finanzierungsproblem im Onlinejournalismus lösen? Ein Überblick über Anwendungsmöglichkeiten und Potenziale.

Die Blockchain, technische Grundlage für sicherheitskritische Operationen von Softwareprozessen – bekanntestes Beispiel sind Krypto-Währungen wie Bitcoin, Ether und Co. –, wurde schon als Allheilmittel für viele problematische Internetanwendungen gepriesen: als Lösung für sichere Parlamentswahlen im E-Voting-Verfahren, für schnelle Online-Vertragsabschlüsse, für ein wasserdichtes Urheberrechtsmanagement bei digital verfügbarer Musik. Nun soll sie den chronisch unterfinanzierten Journalismus im Netz retten. Kann das funktionieren?

Christoph Hering ist Mitveranstalter der Blockshow, einer internationalen Konferenzreihe, bei der Unternehmen und Entwickler ihre Anwendungen und Produkte rund um die Blockchain vorstellen. In den letzten Jahren beobachtet Hering eine starke Diversifizierung der Angebote. Es wird versucht, viele Prozesse, die im „klassischen“ Internet ablaufen, auf Basis einer Blockchain zu bewerkstelligen: Barzahlungen, Wertpapierhandel, Vertragsabschlüsse, Abstimmungen, digitale Verwaltung beziehungsweise E-Government. Dazu kommen nun auch mediale Anwendungen wie Bilddatenbanken, soziale Netzwerke oder News-Websites.

„Wie mit einem alten Buch, das Hunderte von Jahren in einer Kirche gelegen hat“

Christoph Hering ist Mitveranstalter der Blockshow-Konferenzreihe und Gründer des Krypto-Payment-Startups Payger

Ein großer Vorteil sei, dass die Inhalte in der Blockchain nachhaltig gesichert werden, meint Hering: „Wie mit einem alten Buch, das man findet, das zuvor Hunderte von Jahren in einer Kirche gelegen hat – so wird das später auch einmal mit der Blockchain sein: dass wir beliebig zurückgehen können in der Zeit. Weil die Dokumente, die in einer Blockchain gespeichert sind, nicht mehr löschbar sind.“

Daraus ergibt sich auch mit der größte Vorteil der Blockchain, der weitreichende Schutz vor Manipulation der Inhalte. Denn sämtliche digitalen Güter und ihre Transaktionen, die in einer Blockchain hinterlegt sind, bleiben quasi auf ewig dort gespeichert. Da die gleiche Blockchain auf etlichen Computern weltweit in identischer Form gespeichert ist, sind Veränderungen kaum unbemerkt durchführbar. Die Datenbasis wächst dabei stetig an. Sollten in Zukunft immer mehr Onlineanwendungen auf Blockchain-Basis laufen, könnte das zum Problem werden. Während die Speicherung angesichts explodierender und immer billiger werdender Speicherkapazitäten noch zu bewerkstelligen zu sein scheint, ist Energie ein teures Gut und wird es wohl auch bleiben. Und davon verbrauchen Blockchain-Anwendungen viel: So werden Bitcoin-Miner, die Computer Einheiten der Digitalwährung ausrechnen lassen, beispielsweise in Island, wo das Mining aufgrund vergleichsweise günstiger Strompreise sehr beliebt ist, Prognosen zufolge in diesem Jahr bereits mehr Strom verbrauchen als alle isländischen Haushalte zusammen.

Blockchain

Eine Blockchain besteht aus einer kontinuierlich erweiterbaren Menge von Datensätzen, den Blöcken, die über kryptografische Verfahren miteinander verkettet sind. Neue Blöcke werden über ein Konsensverfahren geschaffen und anschließend an die Blockchain angehängt. Da alle relevanten Informationen auf etlichen verschiedenen Computern weltweit gespeichert sind, gilt die Technik als sehr fälschungssicher: Wollte jemand etwas manipulieren, müsste er sich Zugang zu Tausenden von Computern verschaffen, um dort – zeitgleich und unbemerkt – die jeweils identische Änderung vorzunehmen.

Bei der bekanntesten Blockchain-Anwendung, der Digital-Währung Bitcoin, sind zum Beispiel alle Informationen darüber, wer wie viele und welche Bitcoins besitzt, jeweils bei allen Teilnehmern der entsprechenden Bitcoin-Börse gespeichert und werden regelmäßig miteinander abgeglichen. Dabei hat kein Staat, keine Behörde und auch keine Bank die Aufsicht über die jeweilige Blockchain; sie wird allein über das Rechnernetz aller Teilnehmer verwaltet.

„Die vierte Gewalt, wie wir sie kennen, ist am Verschwinden“

Im Medienbereich ausprobiert wird das Ganze schon, zum Beispiel bei Civil, einem dezentral organisierten Journalismus-Marktplatz aus den USA, der technisch auf der Ethereum-Blockchain aufsetzt. „Die vierte Gewalt, wie wir sie kennen, ist am Verschwinden. Werbedollars, Fake News und mächtige Interessen manipulieren, was wir sehen und was wir zu wissen glauben“, erklären die Macher auf der Civil-Website. Man wolle die Sicherheit und die Transparenz der Blockchain-Technologie für einen vertrauenswürdigen und verlässlichen Journalismus nutzen, um der Erosion der vierten Gewalt im Staat etwas entgegenzusetzen.

Jeder kann sich bei Civil als „Newsmaker“ oder „Citizen“ registrieren und entsprechend Inhalte publizieren oder rezipieren. Für Letzteres kann, wer möchte, den Autor entlohnen: in Civil-Tokens, einer eigenen Kryptowährung, prinzipiell vergleichbar dem Bitcoin oder dem Ether. Im Datenbestand der Blockchain ist die Urheberschaft des jeweiligen Inhalts transparent nachvollziehbar.

Hybrid aus sozialem Netzwerk und Inhalte-Plattform

Noch weiter geht Steemit, eine Art Hybrid aus sozialem Netzwerk und Inhalte-Plattform, der dem Social-News-Aggregator Reddit ein wenig ähnelt und auf der Steem-Blockchain basiert. Besonders ist das Bewertungs- und Credit-System für Inhalte: Die Entlohnung eines Publishers richtet sich nach der Resonanz, die der Content erzeugt. „Wenn das, sagen wir, 150.000 Euro pro Tag sind, werden diese 150.000 Euro alle 24 Stunden auf den beliebtesten Content des Tages verteilt“, sagt Christoph Hering, selbst aktiver Steemit-Nutzer. Wie bei Civil gehört auch zum Steemit-System eine eigene Krypto-Währung, der Steem Token. Dabei werden jährlich neue Steem Tokens in einem Umfang erzeugt, der einer Inflation von sechs bis acht Prozent entspricht.

Den Lohn für ihre Werke erhalten Autoren dabei aber auf zwei unterschiedliche Weisen: zur einen Hälfte in Anteilen an geldwerten Steem Tokens, zur anderen Hälfte in sogenannter Steem Power. Die Steem Power eines Nutzers steigert dessen Einfluss auf der Steemit-Plattform: Je höher sie ist, umso gewichtiger ist auch beispielsweise ein Like, mit dem der Nutzer den Artikel oder das Video bedenkt. Damit hat der Bewertende einen entsprechend größeren Einfluss darauf, wie das täglich ausgeschüttete Geld unter den einzelnen Publishern verteilt wird.

Christoph Hering etwa unterstützt mit seinen Likes eine Community nigerianischer Blogger: „Die gehen raus, an die Schule, auf den Markt, in die Dörfer, und berichten darüber. Und jedes Mal, wenn sie einen Blogpost darüber schreiben, vote ich für sie. Die bekommen dafür dann drei, vier Dollar – in Afrika wahnsinnig viel Geld. Ich gebe ihnen so eine Spende, damit sie dort ein gutes Leben haben können, ohne dass es mich selbst etwas kostet. Das sind ganz neue Geschäftsmodelle.“

Raubkopien wird auch die Blockchain nicht verhindern

Ein anderer, reduzierterer Ansatz ist, die Blockchain-Technik nur dafür zu nutzen, geistiges Eigentum wie Texte, Bilder oder Videos rechtemäßig zu dokumentieren und zu handeln. Po.et versucht das mit einer Plattform auf Grundlage der Bitcoin-Blockchain. Eine Art digitaler Fingerabdruck, der zusammen zum Beispiel mit einem Text auf einer News-Site ausgegeben wird, dient als Gütesiegel dafür, dass der Artikel im Einvernehmen mit seinem Urheber veröffentlicht und nicht verändert wurde.

Trent McConaghy ist Technik-Chef beim Berliner Blockchain-Startup BigchainDB und Spezialist für künstliche Intelligenz

Die gleiche Strategie verfolgt BigchainDB. Das Berliner Unternehmen entwickelt eine Datenbank auf Blockchain-Basis, um Urheberrechte zu dokumentieren und zu transferieren. Zusätzlich können Lizenzregeln festgelegt werden: Ein Fotograf kann ein Foto mit einer Creative-Commons-Lizenz versehen – oder die Rechte etwa an ein Magazin abtreten, dem er das Foto verkauft. In der Blockchain ist alles dokumentiert. Die Blockchain wird so zwar keine Raubkopien verhindern. Die Klärung der Rechtefrage erleichtert sie aber erheblich.

Die Kontrolle darüber, welche Inhalte mit welchen Rechtevermerken in der Blockchain stehen, liegt allein beim Urheber. „Das ist, als ob man etwas in Stein meißelt“, sagt Trent McConaghy, Technikchef bei BigchainDB. Der Kanadier sieht es auch als eine Art Zurückeroberung von Souveränität für Kreative: „Du bekommst die Kontrolle darüber, deine Urheberrechte selbst geltend zu machen – anstatt das irgendeinem Unternehmen zu überlassen, das möglicherweise morgen zusperrt und dich mit deinen Ansprüchen allein lässt.“

Technologie reift in der Nische aus

Albert Wenger ist Partner bei Union Square Ventures in New York und Spezialist für Investments in der Tech-Branche

Die aktuellen Ansätze, Blockchain-Technik für mediale Zwecke zu nutzen, sind noch als Graswurzel-Journalismus oder Nischenanwendungen zu sehen. Doch vielleicht sind gerade das gute Vorzeichen für einen kommenden Boom. Albert Wenger, gebürtiger Franke und heute Tech-Investor in New York, dem Kunden aus aller Welt ihr Wagniskapital anvertrauen, hält das für eine plausible Annahme. Viele wichtige Technologien würden zunächst in Randbereichen wachsen und ausreifen, weiß Wenger aus jahrzehntelanger Markterfahrung – bis diese Technologien so gut sind, dass sie einer breiten Masse einfach zugänglich sind. Genauso sei das auch beim World Wide Web gewesen: „Als ich zum ersten Mal das World Wide Web gesehen habe, da war ich gerade in einem Labor am MIT (Massachusetts Institute of Technology, Anm. d. Red.) und habe an meinen Hausaufgaben gearbeitet. Dann habe ich die nächsten Stunden bis um drei Uhr früh im Web rumgebrowst. Das war 1993. Danach habe ich mir gedacht: Die Zeitungen sind morgen tot. Und dann hat’s 20 Jahre gedauert.“

Rentabler wird der Journalismus auch durch die Blockchain nicht

In der Blockchain steckt großes Potenzial, was die Frage der Attribution betrifft, also die transparente Zuordnung und Dokumentation der Rechte an geistigem Eigentum, glaubt Wenger. Das, was Plattformen wie BigchainDB, Po.et, aber auch Civil oder Steemit tun – die Urheberschaft an Inhalten zu dokumentieren –, werde sehr wichtig werden. Auch Glaubwürdigkeit und Transparenz im Journalismus kann die Blockchain-Technik zweifellos stärken.

Ein weiteres großes Problem des Journalismus im digitalen Zeitalter, das der Finanzierung, wird wohl auch die Blockchain nicht lösen können, glaubt Branchenkenner Albert Wenger: „Die Realität des digitalen Contents ist, dass es extrem viel davon gibt. Und wann immer es ein sehr großes Angebot und eine limitierte Nachfrage gibt, ist der Grenzpreis null. Daran wird auch die Blockchain nichts ändern.“

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

florian_regensburgerDer Autor Florian Regensburger arbeitet schwerpunktmäßig zu Netzwelt-Themen: soziale Medien, Netzpolitik und Netz-Infrastruktur, Datenschutz, Urheberrecht und neue Technik. In TV-, Hörfunk- und Online-Formaten will er die Relevanz der Digitalen Revolution für die betroffenen Menschen erklären. Florian Regensburger arbeitet vor allem für den Bayerischen Rundfunk, aber auch für andere Auftraggeber und als Medientrainer. Florian Regensburger bei Twitter: @flo_regen


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