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Feiern ist Kunst! – Kultur-PR für das Watt en Schlick Fest

Ende Juli wird das niedersächsische Musik- und Kulturfestival „Watt en Schlick“ wieder zahlreiche Besucher:innen und Medienpartner:innen an den friesischen Jadebusen locken. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für das Watt en Schlick Festival zeigt, wie man Storytelling, Narrative und Public-Relations-Instrumente einsetzen kann, um ein Kulturevent erfolgreich beim Publikum und in den Medien zu platzieren. Sofie Buchwald steht hier als Pressesprecherin in der vordersten Linie – und gibt im Fachjournalist Tipps zur Nutzung der verschiedenen Tools.

Wer im Hochsommer am niedersächsischen Wattenmeer urlauben möchte, könnte dort zum Zeugen oder zur Zeugin eines ungewöhnlichen Kulturevents werden: Bereits im 10. Jahr gastiert im kleinen friesischen Touristenort Dangast das Musik- und Kulturfestival Watt en Schlick Fest. Drei Tage lang mischen sich dann am Dangaster Strand Szenepublikum aus Großstädten wie Berlin, Bremen, Hannover und Hamburg, Tourist:innen, junge Familien und Besucher:innen aus der Region. Viele Einheimische arbeiten als Volunteers auf dem Fest.

Das „watt en schlick fest“, so die Eigenschreibweise, bringt vor allem urbane Kunst und Kultur in die ländliche, touristisch geprägte Region, zu einem sehr heterogenen, stark altersgemischten Publikum.

Künstlerischer und Festivalleiter ist Till Krägeloh, der das Watt en Schlick Fest 2014 gründete und das Programm kuratiert. Zu seinem Team gehört auch Sofie Buchwald, die als Pressesprecherin fungiert. Die Bremer Journalistin und Texterin nutzt für ihre Arbeit verschiedene Stories, Narrative und Instrumente: zum einen, um das Festival bei regionalen und überregionalen Medien zu positionieren, zum anderen dann aber auch, um das Publikum abzuholen und ins Festivalprogramm mitzunehmen.

Sofie Buchwalds Weg zum Watt en Schlick Fest

Fragt man Sofie Buchwald nach wichtigen Stationen auf ihrem Berufsweg, dann erinnert sie sich zunächst an ein Geräusch. Als Kind ist sie oft beim Klang einer klappernden Schreibmaschine eingeschlafen. Ihre Mutter war Journalistin und dann Galeristin, ihr Stiefvater Künstler.

Später blieb sie dann „in the track“, studierte Kulturwissenschaften und Germanistik an der Bremer Universität und produzierte Radio- und TV-Beiträge. Etwa für ein Radioprogramm über Wissenschaftsthemen, das im Kulturprogramm von Radio Bremen lief. Bei Brachial TV, einer Fernsehshow im Bremer Bürger TV, stellte sie zusammen mit einer Gruppe anderer „Musikverrückter“ Underground- und Independent-Musiker:innen vor. „Das war Anfang der 1990er-Jahre, zur Zeit der Musiksender MTV und VIVA, bei denen Independent-Musik allerdings damals nicht präsentiert wurde“, erinnert sich Buchwald.

Dem Journalismus, der Kunst und den speziellen Themen blieb sie treu. Als freie Autorin beim Stadtmagazin BREMER betreute sie die von den Kolleg:innen verschmähte Kunstseite. Bei der Redaktion eines Kindermagazins entwickelte und schrieb sie Artikelserien zu Architektur und Kunst.

Irgendwann wechselte Buchwald dann zum Werbetexten, blieb inhaltlich aber bei ihren Herzensthemen Kultur und Soziales. Sie textete lieber für Kultureinrichtungen, öffentliche Organisationen und Selbstständige als für Produkte. Mittlerweile gehören die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und eine Bremer Behörde, die über Gewalt gegen Frauen aufklärt, zu ihren Auftraggeber:innen. Zudem ist sie Mitglied eines Redaktionsteams, das einen täglich erscheinenden Newsletter zur Hochschulpolitik produziert.

Ab 2014 unterstützte sie das Festival als Texterin des Programmhefts – heute ist sie seine Pressesprecherin.

Programm- und Öffentlichkeitsarbeit beim Fest

Die Texterin und Journalistin Sofie Buchwald ist Pressesprecherin des Watt en Schlick Festes, für das sie seit 2014 tätig ist. Sie arbeitet freiberuflich für verschiedene Auftraggeber, vorzugsweise aus der Kulturbranche und zu sozialen Themen.

Das Programm des Watt en Schlick Fests ist eine Mischung aus Konzerten, Lesungen, Filmen, Theater, Performances und anderen Bühnenformaten. Das Fest zieht jährlich um die 6.000 Besucher:innen an drei Festivaltagen an und ist damit inzwischen räumlich an seine Obergrenze gekommen. „Der Schwerpunkt liegt zwar auf Musik, aber wir verstehen uns als Kulturfestival – und als Fest. Auch Feiern ist Kunst“, sagt Buchwald.

Die Strategien der Öffentlichkeitsarbeit werden im Team gemeinsam erarbeitet. Buchwald ist dann für die sprachliche Kommunikation zuständig. Dazu gehört zum Beispiel das Verfassen aller Pressemitteilungen. „Ich bin über das Jahr Ansprechpartnerin für die Medienvertreter:innen und betreue während des Festivals die Presse vor Ort. Dazu gehören auch die Social-Media-Kanäle, die allerdings während des Festivals von einem eigenen Team bespielt werden, das sich über die Jahre auf die unterschiedlichen Plattformen spezialisiert hat“, zählt Buchwald auf. Darüber hinaus verantwortet sie die Texte im Programmheft des Watt en Schlick Fests und begleitet die Produktion des Festival-Films redaktionell.

Natur als Narrativ

Das Watt en Schlick Fest gastiert traditionell direkt am als Weltnaturerbe geschützten Wattenmeer. Strenge Deichschutz- und Umweltauflagen gehören seit jeher zum Festivalgeschehen. Das Thema Nachhaltigkeit ist sehr präsent und wird von den meisten Besucher:innen unterstützt. Buchwald nennt Beispiele: „Das bedeutet konkret, dass sie sich rücksichtsvoll verhalten, ihren Müll entsprechend entsorgen und keine kaputten Zelte hinterlassen.“

Die Künstler:innen wiederum schauen von der Main Stage direkt aufs Meer, sehen dabei Ebbe und Flut kommen und gehen. Eine der insgesamt fünf Bühnen, die sogenannte Floßbühne, liegt nur durch einen Steg mit dem Strand verbunden im Watt und bewegt sich mit den Gezeiten auf und ab. Bei heißem Wetter kühlen sich viele Gäste zwischen den Acts im Meer ab.

So verändern Ebbe und Flut, Wasser und Watt ständig die Kulisse des Watt en Schlick Fests und das Publikum und die Künstler:innen sind Teil dieses Veränderungsspiels. Dieses Narrativ von der steten Veränderung greift Buchwald immer wieder in den Texten auf – als programmatische Metapher für das sich ständig weiterentwickelnde künstlerische Programm und für das Festival selbst.

Vertrauen als Narrativ

Ein weiteres Narrativ, das immer wieder in der Kommunikation auftaucht, ist die enge und vertrauensvolle Verbundenheit des Festivals mit seinen Besucher:innen und seinen Künstler:innen.

Zu den Besonderheiten des Watt en Schlick Fests gehört es, dass direkt nach dem Festivalende die Tickets für das Folgejahr innerhalb kürzester Zeit ausverkauft sind. „Das ist vor allem in der heutigen Zeit, in der das Publikum oftmals sehr zurückhaltend ist, etwas Besonderes. Wir veröffentlichen unser Programm ja meistens erst im Lauf des Jahres und viele Programmpunkte sogar erst kurz vor Beginn des Festivals. Dennoch lassen sich die Menschen darauf ein und haben Vertrauen“, sagt Buchwald.

Vertrauen und Offenheit gegenüber dem kuratierten Programm zeigt das Publikum auch während des Festivals. „Im letzten Jahr spielte die kanadische Elektropunk-Queen Peaches am Sonntagnachmittag. Elemente ihres Auftritts waren tolle Vulven-Kostüme und recht explizite Tanzeinlagen. Vor der Bühne versammelte sich ein ganz gemischtes Publikum, auch Familien mit Kindern, und Peaches wurde durch das Publikum getragen. Kaum jemand verließ den Platz. Auch Peaches zeigte sich nach ihrem Gig sehr berührt von dieser Offenheit und diesem Vertrauen – speziell der Eltern vor der Bühne“, erinnert sich Buchwald. Solche Momente werden dann auch im Festivalfilm thematisiert.

Tool Programmheft

Anders als bei vielen anderen Festivals trifft beim Watt en Schlick-Fest ein sehr gemischtes und generationenübergreifendes Publikum auf prononcierte Acts und Positionen. Das Programmheft dient dann auch als zentrales Vermittlungsmedium.

Buchwald ist für dessen Texte und die Redaktion verantwortlich. „Dafür setze ich mich mit allen Acts unseres Programms auseinander, höre oder sehe sie an, betreibe eigene Recherchen und schöpfe auch aus meiner eigenen Erfahrung und meinem Wissen“, beschreibt die Texterin ihre Vorgehensweise.

Ihr Ziel ist, Texte zu schreiben, die einladen und ansprechen, das Wesentliche verständlich rüberbringen und dabei neugierig machen – und das in wenigen Sätzen. „Man muss immer Anknüpfungspunkte finden, um das Programm auch Menschen näherzubringen, die eben keine Expert:innen sind“, räumt die Pressesprecherin ein.

Tool Medienpartnerschaften

Wichtig sind, wie bei anderen Festivals und Kulturevents auch, die Medienpartnerschaften. Beim Watt en Schlick Fest sind das zum Beispiel Kooperationen mit der regionalen Nordwest Zeitung (NWZ) und mit dem Radiosender Bremen Vier.

„Für uns bedeuten diese Partnerschaften in erster Linie Imagepflege und eine Identifikation mit der Region, für die diese Medienpartner stehen“, sagt Buchwald. Für die Partner wiederum ist das Watt en Schlick Fest als wichtiges regionales Event ein must have in der Berichterstattung.

Die Festival-Pressemitteilungen werden aber auch an die überregionalen Medien verschickt – in der Hoffnung, von diesen berücksichtigt zu werden. Wenn sie ein bestimmtes Thema besonders featuren möchte, arbeitet Buchwald lieber mit Interviews als mit klassischen Pressemitteilungen. „Da hat man noch einmal einen anderen Gestaltungsspielraum und die Möglichkeit, gute Zitate zu platzieren“, erklärt sie.

Tatsächlich hat das Watt en Schlick Fest in den letzten Jahren auch überregionale Aufmerksamkeit erregt. So hat z.B. das ARTE-Musikmagazin tracks über Nachhaltigkeit auf dem Fest berichtet, der Deutschlandfunk und verschiedene ARD-Anstalten waren vor Ort und die Online-Ausgabe des Musikfachblatts Rolling Stone berichtet regelmäßig über das Festival.

„Auf die überregionale Landkarte hat uns aber tatsächlich vor allem unsere Festival-Ausgabe 2021 gebracht. Damals haben wir das Watt en Schlick Fest als ,Modellprojekt Niedersachsen‘ – komplett gegen den Trend – live durchführen können. Voraussetzungen waren ein umfangreiches Testkonzept und eine wissenschaftliche Begleitung. Das wurde überall mit großem Interesse wahrgenommen“, berichtet Buchwald.

Die in dieser Zeit gesammelten überregionalen Pressekontakte nutzt sie weiterhin. „Am großen Aufmacher im überregionalen Feuilleton arbeiten wir weiter“, sagt sie.

Inzwischen konnte das Watt en Schlick Fest – ebenfalls gut für die Außenkommunikation – mehrmals den Helga! Festival Award in verschiedenen Kategorien gewinnen. Darunter zweimal den vom Publikum gewählten Award zum „Besten Festival“.

Lokale Kunsttraditionen als Narrativ

Der Strand, auf dem das Festival stattfindet, gehört der Familie Tapken. Sie betreibt das Kurhaus Dangast mittlerweile in der vierten Generation. Das Haus liegt oberhalb des Strands auf einem Geestrücken und thront quasi über dem Festivalgeschehen.

Bereits im frühen 20. Jahrhundert entdeckten expressionistische „Brücke“-Künstler:innen um Karl Schmidt-Rottluff den Ort als Motiv und gingen im Dangaster Kurhaus ein und aus. Der Beuys-Schüler Anatol Herzfeld schuf am Strand eine große Statue, initiierte zahlreiche Kunstaktionen und erklärte das Feiern zur Kunst. Auch Joseph Beuys kam im Bentley vorbei, um sich daran zu beteiligen.

Zu verdanken hat der Ort diesen Geist von Toleranz und Aufbruch auch dem inzwischen verstorbenen ehemalige Betreiber des Kurhauses, Karl-August Tapken. „Tapken war sehr offen für neue Ideen und ermöglichte im Kurhaus die ersten Punkkonzerte. Auch der riesige Granit-Phallus des Künstlers Eckart Grenzer am Strand fällt in seine Ära. Das löste natürlich damals eine Riesendiskussion aus – und an diese und andere gesellschaftliche Diskussionen will das Watt en Schlick Fest anknüpfen und sie fortführen. Damit wären wir dann wieder bei einer Künstlerin wie Peaches“, schlägt Buchwald den Bogen zurück zum aktuellen Festival.

Fazit

Das Wagnis, urbane Kultur zu einem heterogenen und altersgemischten Publikum in die Provinz zu bringen, scheint sich im Fall des Watt en Schlick Fests gelohnt zu haben. Die Marke „watt en schlick fest“ lebt auch von ihren Narrativen und Geschichten, von der Einbettung in die Natur, von der Anknüpfung an lokale Kunsttraditionen, vom Narrativ des Festes, bei dem verschiedenste Gruppen zusammen Kultur feiern und sich austauschen statt nur zu konsumieren.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).


Foto: Eberhard Kehrer

Der Autor Gunter Becker schreibt seit Beginn der 1990er Jahre als freier Autor über elektronische Medien, Internet, Multimedia und Kino Anfangs für die taz, dann für den Tagesspiegel und im neuen Millennium vorwiegend für Fachmagazine, wie ZOOM und Film & TV Kamera. Für das verdi-Magazin Menschen Machen Medien verfolgt er die Entwicklung nachhaltiger Filmproduktion, die Diversität in den Medien und neue Medienberufe.

 

 

 

 

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