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Royals vs. Presse in „The Crown“: Die Geister, die sie riefen?

Wie die Netflix-Serie das Verhältnis zwischen dem britischen Königshaus und der Presse beleuchtet.

Peter Morgans ausladende Serie The Crown zeichnet nicht nur die Regentschaft von Königin Elisabeth II. nach, sondern auch das strapazierte Verhältnis zwischen den Royals und den britischen Medien.

Mit dem Jahr 2023 endete eine der erfolgreichsten und teuersten Netflix-Serienproduktionen: Im Dezember schloss die sechste Staffel von The Crown die aufwendig produzierte Saga um die britische Königsfamilie der Windsors ab. Nach der Idee von Serienschöpfer Peter Morgan erzählte die Serie teils historisch akkurat, teils fiktionalisiert von der Regentschaft Königin Elisabeths II. in einem von mitunter harschen politischen und sozialen Umbrüchen geprägten England. In diesem war es Elisabeths vornehmliche Aufgabe, so verdeutlichte die Serie kontinuierlich, einen möglichen Bedeutungsverlust der ohnehin schon durch das britische Parlament beschränkt handlungsfähigen Monarchie abzuwenden. Eine im Verlauf der 60 Episoden wachsende Rolle spielte dabei das wechselseitige und komplexe Verhältnis der königlichen Familie zu den britischen Medien, das bis heute ein äußerst schwieriges ist.

Medialer Coup oder Ursünde?

Einen frühen und folgenreichen Wendepunkt in diesem Verhältnis macht The Crown in der im Jahr 1953 situierten Episode „Verschleierung“ aus, als es um die Planung von Elisabeths Krönungszeremonie geht. Um ihren sich zu dieser Zeit bereits über seinen Rangverlust beklagenden Ehemann Philip (Matt Smith) nicht gänzlich auszuschließen, beruft ihn Elisabeth (Claire Foy) zum Leiter des Krönungskomitees. Zum Ärger des damaligen Premierministers Winston Churchill (John Lithgow) wartet Philip mit besonderen Neuerungen an der Zeremonie auf: Egalitärer und zukunftsgerichteter soll diese sein und – ein absolutes Novum – im britischen Fernsehen übertragen werden. Ein Vorschlag, der von Parlamentsangehörigen als „radikal“ aufgefasst wird, angesichts der sich hiermit auftuenden Dichotomie in der Auffassung der Monarchie. Diese bringt Churchill Elisabeth gegenüber treffend mit diesen Worten auf den Punkt: „Beugt sich die Krone dem Willen des britischen Volkes, prüfbar und nachvollziehbar? Oder steht sie weiterhin über der weltlichen Macht?“

Letztere Frage Churchills bezieht sich darauf, dass sich die Windsors auf jahrhundertealte Traditionen und eine gottgegebene Erhabenheit über weltliche Belange berufen. Diese zieht wiederum eine mystische Intransparenz nach sich, die so etwas wie eine Übertragung der heiligen und exklusiven Krönungszeremonie kategorisch ausschließt. Doch solch eine veraltete Auffassung der Monarchie, so erklärt es Philip seiner Gattin im Zwiegespräch, mag dem vom letzten Weltkrieg noch immer gezeichneten und von Lebensmittelrationierungen geplagten britischen Volk kaum mehr vermittelbar sein, geschweige denn dieses begeistern. Er plädiert für die Fernsehübertragung, um den Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln. Am Ende gibt Elisabeth nach und die von der BBC übertragene Krönungszeremonie wird von mehr als 20 Millionen Menschen live verfolgt – die Relevanz der Krone für die Öffentlichkeit scheint bestätigt und sogar gestärkt worden zu sein. Im Folgenden erzählt The Crown dann, wie diese mediale Öffnung unabsehbare Konsequenzen im Verhältnis zwischen der Presse und der Königsfamilie nach sich zog.

Mediale Öffnung: Die von der BBC übertragene Krönungszeremonie von Elisabeth (gespielt von Claire Foy) wurde von mehr als 20 Millionen Menschen live verfolgt. Bild: The Crown (1. Staffel), © Alex Bailey/Netflix.

„Die Ära der Ehrerbietung ist vorbei.“

Nur eine Episode später dient ebendiese TV-Übertragung als argumentative Stütze, als in einer namenlos bleibenden Zeitungsredaktion diskutiert wird, ob über die Beziehung zwischen Prinzessin Margaret (Vanessa Kirby) und dem geschiedenen Bürgerlichen Peter Townsend (Ben Miles) berichtet werden darf. Der Herausgeber befürchtet, ein solcher Artikel verstieße gegen die „unausgesprochenen Regeln der Hochachtung und des Respekts, die die Medien der königlichen Familie zeigen“. Aber genau diese Regeln seien doch jüngst durch die Einladung des Fernsehens geändert worden, erwidert der Chefredakteur, der zudem hinterfragt, ob sich die vierte Gewalt künftig benutzen lasse oder eine „eigene unabhängige Stimme“ habe.

Aus heutiger Sicht erscheint das mediale Interesse an Prinzessin Margarets damaliger Beziehung lediglich von Sensationalismus motiviert. Doch angesichts der Abdankung von König Edward VIII. im Jahr 1936 aufgrund seiner Entscheidung, eine geschiedene Bürgerliche zu heiraten, und der darauf folgenden Verfassungskrise war die über Klatsch hinausgehende Relevanz tatsächlich gegeben. Es schien nicht mehr zu gelten, was die Historikerin Elizabeth Norton in einem erhellenden iNews-Artikel zum Verhältnis zwischen der königlichen Familie und der Presse formulierte: „In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts umgab die Monarchie eine regelrechte Mystik, die die Reporter in Schach hielt.“ Die in The Crown dargestellte Zeitungsredaktion entscheidet sich schließlich für die Veröffentlichung des Artikels. Dies führt zu einer Reihe von Entscheidungen der Königin, die der Serie zufolge schließlich die Trennung von Margaret und Peter bedingen.

Im weiteren Verlauf von The Crown zeigt sich, wie Pressevertreter immer offener das Auftreten und die Äußerungen der königlichen Familie kritisieren. Als besonders berechtigt stellt sich eine solche Vorgehensweise in der Episode „Marionetten“ der zweiten Staffel dar: Königin Elisabeth besucht 1957 eine Jaguar-Fabrik und hält eine Ansprache, die vor Herablassung gegenüber der dort versammelten Arbeiterschaft strotzt. Die im Radio übertragene Rede stößt Lord Altrincham (John Heffernan), Herausgeber des Magazins National and English Review, dermaßen auf, dass er in einem Kommentar scharfe Kritik an Elisabeths selbstgefälliger Wortwahl übt und ihr die völlige Missachtung der ersten Pflicht der Monarchie („zu inspirieren“) vorwirft.

Mittels effektreicher Rückblenden vermittelt diese Episode, wie skandalträchtig solch ein offen geäußertes Missfallen am Gebaren des Königshauses in der damaligen Zeit noch war: Altrincham wird in anderen Zeitungen zitiert, angefeindet und schließlich nach seinem Auftritt in einer TV-Sendung zu Elisabeths Schadenfreude auf offener Straße geohrfeigt. Doch als Umfragen ergeben, dass rund 50 Prozent der Bevölkerung Altrinchams Ansichten zu einer moderner auftretenden Monarchie zustimmen, wird er in den Buckingham Palace eingeladen, wo er einer weiterhin indignierten Elisabeth Empfehlungen zur Modernisierung und weiteren Öffnung gegenüber dem Volk überreichen darf. Dabei macht er ihr höflich, aber unmissverständlich klar: „Die Ära der Ehrerbietung ist vorbei.“

Die Jagd ist eröffnet

Trotz Altrinchams Befund stellt The Crown in der dritten Staffel und damit bis in die späten 1960er-Jahre hinein das Verhalten der britischen Presse gegenüber der königlichen Familie als weitgehend gezügelt dar: Über die offizielle Hofberichterstattung hinaus thematisieren Zeitungen nur wirklich wichtige Belange um die Königsfamilie; Kritik wird vor allem dann geäußert, wenn es um die Finanzierung der Monarchie durch Steuergelder geht. So etwa in der Episode „Bubbikins“, die eröffnet, dass Prinz Philip 1969 in der US-Fernsehsendung „Meet the Press“ das seit Langem stagnierende Jahresbudget zur Finanzierung der Krone anprangert. In der Serie ist es meist ein fiktiver Guardian-Redakteur, der als Kritiker auftritt, aber in der Realität hatten mehrere britische Medien etwas an Philips unverblümter Forderung auszusetzen. Und erneut reagiert die königliche Familie mit weiteren kontrollierten Zugeständnissen, um Volksnähe zu zeigen: Eine von Philip eingefädelte BBC-Dokumentation, 1969 unter dem Titel „Royal Family“ erschienen, soll der Nation die Bedeutsamkeit von Elisabeths Aufgaben vor Augen führen.

Was The Crown in dieser Staffel aber gänzlich außer Acht lässt, sind die sich im Hintergrund vollziehenden Veränderungen im britischen Pressegeschäft: 1968 kaufte der australische Medienmagnat Rupert Murdoch die Tageszeitung News of the World, die 2011 nach dem folgenschweren Abhörskandal eingestellt wurde, und im Jahr darauf die damals ruinöse Tageszeitung The Sun, die er in ein wüst mit Promi-Klatsch hantierendes Tabloid umwandelte. Als Anti-Monarchist hatte Murdoch kaum Probleme damit, seine Blätter unfundierte Geschichten über die Royals verbreiten zu lassen, wie es ein Politico-Artikel hervorhob: „Kein Medienmagnat hat mehr dafür getan, das Haus Windsor zu entmystifizieren, zu verhöhnen und zu verunglimpfen.“ Und bis in die 1990er-Jahre hinein hatten die so agierenden Tabloids entsprechend der PR-Maxime der Royals –„Never complain, never explain“ – auch keine öffentliche Reaktion der königlichen Familie oder gar rechtliche Konsequenzen zu befürchten.

Detailliert arbeitet die Serie die Folgen der medialen Ausschlachtung der unglücklichen Ehe zwischen Prinz Charles und Prinzessin Diana und deren Scheitern auf. Im Bild: Diana (Emma Corrin) und Charles (Josh O‘ Connor) bei der Bekanntgabe ihrer Verlobung. The Crown (4. Staffel), © Des Willie/Netflix.

Der Wandel der Medienlandschaft wird in The Crown erstmals am Ende der dritten Staffel aufgegriffen, als explizit über Prinzessin Margarets außereheliche Affäre samt kompromittierenden Schnappschüssen berichtet wird. Die tiefgreifende Umwälzung wird sichtbar, als ab der vierten Staffel eine junge Diana Spencer (Emma Corrin) ins Geschehen eingeführt und bald zu Prinz Charles‘ (Josh O’Connor) Verlobter wird. Die Serie schlägt hier, das tragische Schicksal der späteren Prinzessin Diana andeutend, den Tonfall eines düsteren Märchens an, untermalt von einer entsprechend unheilvollen musikalischen Komposition, die jeden Auftritt von „Lady Di“ begleitet. Es ist ein Märchen, das dem inzwischen verstorbenen Sun-Journalisten Harry Arnold zufolge der Berichterstattung zu verdanken war: „Bis zu einem gewissen Grad war es eine von den Medien geschaffene Ehe“, erklärt er in Sally Bedell Smiths Vanity Fair-Artikel „Diana and the Press“.

Im freien Fall

Die Folgen des medial bis zuletzt ausgeschlachteten Zerbrechens dieser Ehe breiten die letzten beiden Staffeln von The Crown detailliert aus. Unabhängig voneinander und teils miteinander konkurrierend bemühen sich Charles und Diana um mediale Aufmerksamkeit und versuchen, Schaden vom eigenen Image abzuwenden. So präsentiert der Anfang der fünften Staffel einen Charles (Dominic West), der seinen Medieneinfluss nutzt, um Elisabeth (Imelda Staunton) zu einer frühen Abdankung zu bewegen. Er ist dabei umgeben von geschickt agierenden jungen Pressesekretären, die die Berichterstattung britischer Zeitungen teilweise antizipieren und lenken können. Doch kurz nach der Verkündung der Trennung von Charles und Diana 1992 zeigt sich, dass weder der Prinz noch seine Berater in der Lage sind, die Boulevardmedien in Schach zu halten: Bereits drei Jahre lang saß die Daily Mail auf von einem Amateurfunker mitgeschnittenen Aufnahmen eines äußerst intimen Telefonats zwischen Charles und seiner damaligen Geliebten Camilla Parker-Bowles, deren Inhalte das Blatt nun – da die königliche Ehe ohnehin zerbrochen ist – veröffentlicht.

Doch es sind nicht nur die Boulevardmedien, in denen sich Grenzverschiebungen bezüglich der Berichterstattung zur königlichen Familie vollziehen: In gleich zwei Episoden der fünften Staffel wird die haarsträubende Entstehungsgeschichte zu Dianas (Elizabeth Debicki) offenem Interview mit Martin Bashir in der BBC-Sendung „Panorama“ 1995 geschildert. Martin Bashir, so ist heute bekannt, hatte mit gefälschten Dokumenten Diana davon überzeugt, dass sie von den britischen Geheimdiensten ausspioniert werde, und so ihr Vertrauen für das Interview gewonnen. Bashirs Motiv, so stellt es The Crown dar, waren hauptsächlich die Niederlagen im Quotenkampf mit den Privatsendern, die er mit seinen investigativen Beiträgen für „Panorama“ einfuhr. Seinen Chefredakteur, der „Promi-Tratsch“ ablehnte, überzeugt er schließlich mit dem Scheinargument, dass es beim Scheitern der königlichen Ehe um weit mehr gehe: „Was passt besser zu ,Panorama‘ als eine nationale Institution im freien Fall?“ Dabei hätten Bashirs kriminelle Praktiken die bis dato selbst als ehr- und vertrauenswürdige geltende nationale Institution BBC ins Wanken bringen können.

Diana (Elizabeth Debicki) im BBC-Interview / Staffel 5 / Bildnachweis: Keith Bernstein/Netflix

Ein berühmtes, aber erschlichenes Interview: Diana (Elizabeth Debicki) im offenen Gespräch in der BBC-Sendung Panorama (1995). Bild: The Crown (5. Staffel), © Keith Bernstein/Netflix.

„Durch das Panorama-Interview wurde das letzte Mysterium um Diana beseitigt und sie mehr denn je bloßgestellt. Auf eine undefinierbare Weise hatte sie den Respekt der Reporter verloren, und deren Spekulationen wurden aufdringlicher und anzüglicher“, erläuterte Sally Bedell-Smith in ihrem Vanity Fair-Artikel „Diana and the Press“.

In der letzten Staffel von The Crown wird deutlich, dass alle Hemmungen bei der Berichterstattung über Diana fallen: Die sie umgebenden Pressefotografen werden immer zahlreicher, präsenter und aufdringlicher, die Schlagzeilen um die geschiedene Frau immer frivoler und ihre Beziehung zu Dodi Fayed wird ein News-Dauerbrenner. Womit diese mediale Hysterie um „Lady Di“, der damals meistfotografierten Person der Welt, schließlich endete, zeichnet The Crown mit Fingerspitzengefühl ab. Aber es gibt auch den deutlichen Verweis auf eine in den 1990er-Jahren aus den Fugen geratene Medienmaschinerie, die im Kampf um Auflagen keine Grenzen mehr zu kennen schien. Nach Dianas tragischem Unfalltod 1997 schien diese Maschinerie für kurze Zeit gebremst, aber die aktuellen Querelen zwischen den Royals und den britischen Medien zeigen, dass sie längst wieder und durch die Digitalisierung unter weitaus höherem Marktdruck in Gang gekommen ist.

Gegenseitige Abhängigkeiten

Die mit dem Jahr 2005 schließende letzte Staffel von The Crown widmet sich dieser Gegenwart nicht mehr. Aber sie verweist in ihrer Gesamtheit darauf, dass das Verhältnis zwischen den Royals und den Medien seit jeher von dem beiderseitigen Wunsch nach Relevanz geprägt und getrieben ist: Die königliche Familie braucht die öffentliche Wahrnehmung und Berichterstattung und hat diese auch durch ihre schrittweise mediale Öffnung vorangebracht. Die Presse wiederum hatte und hat durchaus das Recht, die Taten und das Auftreten einer Familie zu beobachten, die zu einer von öffentlichen Geldern finanzierten und weiterhin mächtigen Institution gehört.

Die zunehmende Boulevardisierung hat allerdings zu ethisch bedenklichen Grenzverschiebungen bei der Berichterstattung zugunsten von Quote und Auflage geführt. Der einst hehre Anspruch berechtigt kritischer Hinterfragung, so stellt es The Crown in seinen finalen Staffeln schließlich dar, scheint obsolet geworden zu sein.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV)

The Crown
Großbritannien, USA 2016 – 2023
6 Staffeln à 10 Episoden
Showrunner: Peter Morgan
Besetzung: Claire Foy, Matt Smith, Vanessa Kirby, John Lithgow, Olivia Colman, Tobias Menzies, Helena Bonham Carter, Josh O’Connor, Emma Corrin, Gillian Anderson, Imelda Staunton, Jonathan Pryce, Lesley Manville, Dominic West, Elizabeth Debicki u. v. m.Trailer: The 

Der zweite Teil der finalen 6. Staffel ist seit 14. Dezember auf Netflix zu sehen, den Trailer sehen Sie hier


Die Autorin Dobrila Kontić hat Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften, Englische Philologie und Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin und Journalismus am Deutschen Journalistenkolleg (DJK) studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Film- und Serienkritikerin in Berlin.

 

Kommentare
  1. Valerie sagt:

    Liebe Dobrila,

    ich bin immer wieder begeistert, wie du das Gesehene in Worte fassen kannst. Ich habe die Serie auch angesehen, könnte aber nicht so präzise darüber berichten. Deinem Fazit kann ich nur zustimmen.

    Herzliche Grüße
    Valerie

    Ps: Und auch der Podcast mit Patrick ist super zum Hören gewesen!