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Praxistipps für den Lokaljournalismus

Freie Journalisten können im Lokaljournalismus zusätzliche Einnahmen generieren. Doch dazu gilt es, zunächst die Besonderheiten dieser Art der Berichterstattung zu verstehen.

Blaulicht-Themen funktionieren immer, heißt es bei der internen Redaktionskonferenz. Wenn die Feuerwehr anruft und einen Waldbrand meldet, muss der Bericht rasch im Netz stehen. Es geht aber auch um die besonderen Belange und Interessen der Bewohner einer lokalen Kommune oder Kleinstadt. Die Bürger müssen sich wiederfinden in der Lokalzeitung.

Netzwerk, „Nase“ – und Offizielles

Lokalreporter brauchen daher ein gutes Netzwerk und ein feines Gespür für ihre Leserschaft. Häufig ergeben sich dann auch neue Themenideen bei der Recherche vor Ort, im direkten Gespräch mit den Protagonisten, die meist ganz nebenbei und unbewusst die Stichworte liefern. Bei einer Azubi-Ehrung durch die Handwerkskammer kann der Fachkräftemangel im ländlichen Raum angesprochen werden, sodass sich hier Anknüpfungspunkte für eine weitere Recherche finden können. An anderer Stelle kann es die Berichterstattung über ein Event sein, bei dem ein Hotelier für die Gastronomie verantwortlich ist und bei der Gelegenheit über neue vegane Konzepte in der hauseigenen Küche spricht. Nicht nur im berühmten Sommerloch ergibt dies eine schöne lokale Geschichte mit Betonung der einheimischen Arbeitskräfte und regionalen Kooperationen.

Andere Themen ergeben sich offiziell über Einladungen zu Pressekonferenzen, Grundsteinlegungen oder Kita-Eröffnungen. Polizeimeldungen sind ebenfalls im Posteingang zu finden. Bei Einsätzen der Feuerwehr ruft meist ein Kamerad der örtlichen freiwilligen Feuerwache an und schildert der Redaktion, wo es gerade brennt. Dann muss es schnell gehen, denn im ländlichen Raum nimmt bereits die Anreise zum Ort des Geschehens viel Zeit in Anspruch.

Mobilität ist Trumpf

Das eigene Auto ist unverzichtbar, um die vielen verschiedenen, oft verstreut liegenden Veranstaltungen und Ereignisstätten im lokalen Raum aufzusuchen. Dabei ist unbedingt ein Fahrtenbuch zu führen, um die gefahrenen Kilometer mit dem Arbeitgeber abrechnen zu können. Eine Dienstfahrt mit dem Privatwagen ist von der Industrie- und Handelskammer (IHK) klar geregelt und Schäden oder Unfälle im Einsatz, die nicht grob fahrlässig verursacht wurden, müssen vom Arbeitgeber übernommen werden.

Fotos: wichtig, aber schwierig

Für Fotos bleibt meist nur wenig Zeit. Zudem sind viele Lokaljournalisten keine ausgewiesenen Fotoreporter und nutzen Symbolbilder über ein hauseigenes dpa-Abonnement zur Bebilderung allgemeiner Texte. So ist die Bildsprache in vielen Lokalzeitungen eher durchschnittlich. Einige Redaktionen allerdings rüsten ihre Mitarbeitenden mit einem iPhone als Diensttelefon aus und erwarten, dass mit dem Gerät auch hochwertige Fotos geliefert werden.

Vor Ort gilt es dann, die Protagonisten der Geschichte authentisch und überzeugend in Szene zu setzen. Das Titelfoto einer Sandburgen-Auszeichnung in der Kita kann aufgelockert werden, indem der Reporter die Kinder einmal vor Freude in die Luft springen lässt. Langweilige Gruppenfotos sind verpönt, die Redaktion wünscht emotionale Bilder voller Action. Auch hier gilt: Kommunikation vor Ort bringt die besseren Fotos.

Üblich ist, dass ein festangestellter Lokalreporter mit der Bildlieferung seine Urheberrechte an den Arbeitgeber überträgt. Bei freien Pressefotografen gibt es zumeist nur eine Sperrfrist von vier bis sechs Wochen, nach der die gelieferten Fotos auf eigene Rechnung oder über Agenturen verkauft werden dürfen. In der Regel dürfen die gelieferten Bilder aber für eigene Social-Media-Kanäle genutzt werden, was sich letztendlich infolge der zusätzlichen Reichweite auch für den Arbeitgeber als Vorteil erwiesen hat.

Die Arbeit in der Redaktion

Themen besetzen, anteasern, abliefern. Zurück in der Redaktion werden zuerst die passenden Bilder ausgesucht und kurz bearbeitet. Meist geht es nur um etwas Aufhellung oder Beschnitt. Die Bilder sind wichtige Eyecatcher für potenzielle Online-Abonnenten, daher sind auch Dachzeile, Titel und Einstiegstext möglichst griffig und volksnah zu formulieren. Es gilt, die Leserschaft neugierig zu machen und zu einem neuen Lese-Abo zu bewegen. „Call to action“ heißt das im Marketing so treffend.

Gearbeitet wird mit einem gängigen Redaktionssystem wie Cue, sodass auch die Kolleginnen und Kollegen in der Zentralredaktion den eigenen Text querlesen können. In vielen ausgedünnten Lokalredaktionen gilt noch das Vier-Augen-Prinzip, nach dem eine externe Qualitätsprüfung aus Kostengründen entfällt.

„Online first“ heißt es oftmals im Redaktionsleitfaden. Fertig geprüfte Beiträge werden über den internen Chat von der Zentralredaktion freigegeben. Dort entscheiden dann die Online-Redaktion und die Social-Media-Abteilung, welche Themen wo erscheinen. Eine gute Aufbereitung für die Suchmaschinen, die Search Engine Optimization (SEO), ist insbesondere für die Google-Suche unverzichtbar. Für die Online-Berichterstattung ist der Langtext in mehrere kleine Absätze zu untergliedern, ebenso muss das Bild auch im kleinen Format auf dem Smartphone wirken. Die Lesefreundlichkeit für die Online-Abonnenten steht hier an erster Stelle.

Entscheidend ist hierbei auch, dass es einen starken regionalen Bezug geben muss. Events, bei denen viele Besucher von auswärts kommen, werden in der Regel eher im Kellerbereich der Lokalseiten veröffentlicht. Starke Regionalthemen werden dagegen gerne als Aufmacher im oberen Bereich mit Zweidrittelgröße gebracht und auch bereits auf Seite 1 mit einem kleinen Bild angeteasert.

Die Arbeitsbedingungen

Die Arbeitsbedingungen sind schwierig. Überstunden und Wochenenddienste gehören dazu, es gibt oftmals einen hohen Krankenstand und viel Fluktuation. Dazu kommt eine oftmals lange Anfahrt im ländlichen Raum, die viel Zeit kostet.

Das schnelle Erfassen von wechselnden Situationen beim stattfindenden Ereignis, die Recherche von Fakten vor Ort mit manchmal schwierigen Gesprächspartnern sowie das Einordnen von Informationen für eine schlüssige Berichterstattung erfordern eine hohe Konzentration und viel Fingerspitzengefühl. Auch das Schreiben unter Termindruck kann je nach Thema zäh werden.

Die Themen

Bei der täglichen Redaktionskonferenz am Morgen wird festgelegt, welche Themen auf die Lokalseiten kommen. Die tagesaktuelle Berichterstattung, etwa über Brandereignisse, genießt oberste Priorität. Wiederkehrende Themen wie Hitzewelle, Hochwasser oder andere Klimageschichten werden immer wieder aufgekocht. Dazu gibt es saisonale Themen wie die sommerliche Gastronomie-Serie oder das Hitze-Foto mit jungen Menschen bei der Abkühlung im Eiscafé oder Freibad. Es geht aber auch um Kita-Schließungen, Hotel-Porträts und natürlich die Vor- und Nachberichterstattung von Veranstaltungen in der Region. Gerade am Wochenende gibt es dann viel Arbeit vor Ort.

Ein besonderes Thema neben Sport ist die Berichterstattung über kommunale Ereignisse: Man muss sich mit der Lokalpolitik beschäftigen und die wichtigsten Namen kennen, um auf kurzfristigen Presseterminen den richtigen Leuten die Hände schütteln zu können. Bürgermeister, Landrat und Pressesprecher der Gemeinde sind wichtige Gesprächspartner. Eine solide Recherche und Abklärung von Zitaten für die Veröffentlichung sind obligatorisch. Auch Lokaljournalisten dürfen kritisch und unabhängig berichten, was aber nicht immer gern gesehen wird. Es gab schon viele nachträgliche Anrufe in der Redaktion, bei denen empörte Stimmen zu hören waren.

Auch immer wieder gerne aufgenommen werden Infrastruktur-Themen im ländlichen Raum, wenn geplante Streckenstilllegungen wichtiger Regionalbahnen die Gemüter erhitzen. Oftmals gilt es dann, vor Ort die Stimmen beteiligter Kommunalpolitiker und Bürger einzufangen und daraus einen schlüssigen und objektiven Beitrag zu formulieren. Die Online-Redaktion freut sich dann immer über viel Bildmaterial, sodass es bei der Recherche heiß hergehen kann. Der Lokalreporter muss die Politiker und Verantwortlichen im Fokus haben, aber auch Demonstranten mit dem vollen Namen und regionaler Zuordnung korrekt zitieren. Eine ohnehin schon komplexe Aufgabe. Aus diesem Grund ist das Bildmaterial oftmals eher durchschnittlich, denn aus Kostengründen wird kein erfahrener Fotograf mitgeschickt. Doppeltalente sind hier klar im Vorteil.

Fazit

Auch für Einsteiger ist es möglich, mit dem Lokaljournalismus Geld zu verdienen. Aufgrund der hohen Fluktuation und der manchmal schwierigen Lebensbedingungen in abgelegenen Provinzstädten werden neue Kolleginnen und Kollegen auch in Festanstellung händeringend gesucht. Selbst branchenfremde Redakteure werden aufgrund des Fachkräftemangels im ländlichen Raum eingestellt. Freie Journalisten bekommen ebenfalls eine Chance, sollten aber in der Region bereits gut vernetzt oder bereit für einen Umzug sein.

Und: Wer sich für den Lokaljournalismus entscheidet, sollte über eine hohe Stressresistenz verfügen sowie keine Ambitionen auf den Pulitzer-Preis hegen. Es geht um das tägliche Füllen der Lokalseiten mit zumeist unspektakulären Themen.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Der Autor Ralf Falbe arbeitet derzeit als Lokalreporter in Festanstellung. Davor war er als freier Bildjournalist, Videographer und Reporter unterwegs. Veröffentlicht hat er u. a. in Stern, F.A.Z. und sueddeutsche.de. Und es gab Auszeichnungen: Journalistenpreis Irland 2016 (Kategorie Online – Top 10), Bronze-Winner International Photo Award IPA Philippines 2016 (Kategorie Kinder), Nominierung für den PR-Bild Award 2015, 2017, 2018 (Kategorie Tourismus, Freizeit, Sport). Er ist Mitglied beim DFJV und im Arbeitskreis Baufachpresse. Weitere Informationen zu seiner Person sind unter www.ralffalbe.com zu finden.

Kommentare
  1. Robert sagt:

    Hallo Ralf,

    Dir ist da ein kleiner Recherchefehler unterlaufen. Du schreibst:“Üblich ist, dass ein festangestellter Lokalreporter mit der Bildlieferung seine Urheberrechte an den Arbeitgeber überträgt.“

    ABER

    „Das Urheberrecht ist nicht übertragbar, es sei denn, es wird in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen oder an Miterben im Wege der Erbauseinandersetzung übertragen. Daraus ergibt sich, dass die Übertragung des gesamten Urheberrechts nur nach dem Tod des Schöpfers möglich ist und dieses vererbt wird.“ http://www.urheberrecht.de

    Ich denke was du meinst ist die Nutzungsrechte an den gemachten Bildern. Denn die sind übertragbar.

    Wobei es natürlich auch eine lustige Vorstellung ist, dass man so für den Beruf Lokalreporter brennt, dass man schriftlich verfügt, nach seinem Ableben, seine Bilder der Redaktion zu vermachen. Vorstellbar in ländlichen Redaktionen ist natürlich auch die familiäre Nähe zur/in die Redaktion: was dann für eine familiäre Vererbung sprechen würde 😉