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Serienkritik zu Succession: Erbstreit im Schlangennest

Zerrüttet, destruktiv, dysfunktional – in der tragikomischen Serie Succession des amerikanischen Senders HBO stolpert eine mächtige Mediendynastie über innerfamiliären Zwist.

Selten brachte die Vorspannmusik einer Serie die darin behandelten Themen so auf den Punkt wie Nicholas Britells Komposition für die HBO-Produktion Succession: ein hämmernder, moderner Beat, in den sich eine verspielte Klaviernote einfügt, bis dramatische Streicher einsetzen, alles zerklüften und wieder zum Ausgangspunkt bringen. Die im Vorspann hinterlegten Bilder spielen ebenfalls mit Genealogie, Macht und Kontrasten: Körnige, sonnendurchflutete Aufnahmen einer wohlhabenden Ostküsten-Familie wechseln sich mit bläulich-kalten Hochglanzbildern vom heutigen New York ab.

Übersetzt bedeutet „succession“ so viel wie Nachfolge oder Erbfolge. Und wer hier wen schleunigst beerben sollte, wird uns zu Beginn der ersten Folge demonstriert. Da steigt ein alter Mann mitten in der Nacht ächzend aus dem Bett, verliert im Dunkeln die Orientierung und uriniert auf den Wohnzimmerteppich des frisch bezogenen Edel-Appartements. Dies ist Logan Roy (Brian Cox), der 80-jährige Gründer und Geschäftsführer von Waystar Royco, dem „fünftgrößten Medienkonglomerat der Welt“. Zeitungen, TV-Sender, Vergnügungsparks, Holiday Resorts gehören zu dem Imperium, das sich der Selfmademan aus einfachen Verhältnissen mühsam aufgebaut hat.

Als Nachfolger steht zunächst Logans Sohn Kendall (Jeremy Strong) fest. Dieser wirkt auf den ersten Blick dynamisch und kontrolliert. Zu den Klängen der Beastie Boys lässt er sich zur Arbeit chauffieren, gönnt sich nur einen Zug von einer Zigarette und schreitet dann im makellosen Anzug durch das gläserne Unternehmensgebäude, um einen Deal abzuschließen. Aber der zweite Blick bohrt sich sehr schnell durch die coole Schutzschicht. Jeremy Strongs grandios subtile Darbietung lotst den Betrachter zum traurigen Kern eines zutiefst verunsicherten Mannes, der seinen Vater fürchtet und zugleich nach dessen Anerkennung giert. Alt und Jung, der gebrechliche, aber immer noch zähe Patriarch und sein um Stärke ringender Sohn, kontrastieren hier nicht nur einander, sondern sind auch Widersprüche in sich selbst.

Lächerlichkeit und Tragik einer Mediendynastie

Mit Succession wurde kurz nach Erscheinen der Serie im Sommer 2018 hart ins Gericht gegangen. Nach Betrachten der ersten Folgen missfiel einigen amerikanischen und fast allen deutschen Kritikern der zwischen Satire und Tragödie angelegte Ton der Serie. Zudem sucht man in den ersten Folgen tatsächlich vergebens nach Sympathie- oder gar Identifikationsfiguren. Die Nachfahren von Logan Roy, zu denen neben Kendall noch drei weitere Geschwister gehören, sind allesamt unberechenbare und egomane Charaktere, die sich ungehemmt Kraftausdrücke an den Kopf werfen; „Fuck off“ scheint der gängige Abschiedsgruß unter ihnen zu sein. Besonders häufig gebraucht ihn Roman (Kieran Culkin), Kendalls jüngerer Bruder – mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne, aber hohem Geltungsdrang. Aus dem Nachfolgerennen ist Roman eigentlich schon ausgeschieden, doch das hindert ihn nicht daran, Kendall im Büro zu besuchen und gegen jede seiner Geschäftsideen zu sticheln. Siobhan (Susan Snook), genannt Shiv, die jüngere Schwester der beiden, arbeitet als politische Beraterin und hat sich weitgehend vom Familienimperium distanziert. Und als völlig neutral betrachtet sich ihr Halbbruder Connor (Alan Ruck), der aus Logans erster Ehe stammt.

Als Logan alle Kinder zu seinem 80. Geburtstag zusammentrommelt und verkündet, dass er wider Erwarten weiter als Geschäftsführer agieren und seine dritte Ehefrau Marcia am Unternehmen beteiligen will, bricht die Hölle los. Kendall fühlt sich als designierter Nachfolger vor den Kopf gestoßen, Roman wittert seine Chance zur Rückkehr in die Firma und Siobhan wägt ab, was für sie aus dem Unternehmen rauszuschlagen ist. Geschäft geht in dieser Familie, die Logans entfremdeter Bruder Ewan (James Cromwell) in einer späteren Folge recht treffend als „Vipernnest“ bezeichnet, immer vor.

Soweit der Auftakt von Succession – und schon stellen sich Parallelen zu den bekannten Streitigkeiten realer Mediendynastien ein; hierzulande zum Beispiel bei den Burdas, global bei den Redstones (Viacom) und insbesondere den Murdochs (News Corp.). Showrunner Jesse Armstrong hat sich zwar dagegen verwehrt, Succession als Porträt der Murdoch-Familie zu betrachten, aber bis heute kursiert in Hollywood sein unproduziertes Drehbuch für einen Film über Rupert Murdoch. Zudem enthält der im April dieses Jahres veröffentlichte Enthüllungsbericht der New York Times über die familiären Konflikte und Machtspiele der Murdochs sehr viele Elemente, die auch in Succession zum Tragen kommen: ein greiser Patriarch, der nicht abdanken will, um die Nachfolge zankende Geschwister und eine kritisch beäugte dritte Ehefrau.

Altlasten trotzen Modernisierungsversuchen

Im sich nun entspinnenden Nachfolgestreit von Succession treffen nicht nur die Eigeninteressen der Geschwister aufeinander, sondern auch divergierende Strategien zur künftigen Ausrichtung des Medienunternehmens. So lange Kendall als Nachfolger galt, bemühte er sich durch Zukäufe im digitalen Sektor darum, die traditionell an Print und TV ausgerichtete Mediensparte zu modernisieren. Doch auch ohne Logans Einmischung stößt er dabei auf Widerwillen. Lawrence (Jake Choi), der Gründer des aufstrebenden Onlineportals Vaulter, begründet seine Absage an das millionenschwere Übernahmeangebot von Waystar Royco mit deutlichen Worten hinsichtlich des angestaubten Images, das dem Unternehmen vorauseilt: „Ich lasse euch Neandertaler nicht mein Unternehmen vergewaltigen. Niemals. Ihr seid eine Gruppe aufgeblähter Dinosaurier, die bis gestern nicht einmal die Ankunft der Affen bemerkt haben.“

Zugleich muss Kendall trotz redlicher Bemühungen stets gegen den Ruf des verzogenen reichen Erben ankämpfen, der sich im Gegensatz zu den gleichaltrigen Digitalunternehmern ins gemachte Nest seines Vaters setzen kann. Woraus dieses jedoch gemacht ist, wird Kendall erst klar, als Logan einen Schlaganfall erleidet. Die Aktie von Waystar Royco sinkt ins Bodenlose und Kendall wird eröffnet, dass das Unternehmen 3,25 Milliarden Dollar Investitionsschulden bei einer Bank hat, die nun eine Rückzahlung fordern kann. Während Kendall und Roman gemeinsam nach Lösungen in dieser ausweglosen Situation suchen, stattet ihnen die Konkurrenz einen Besuch ab, um eine Übernahme anzubieten.

Angriff auf ein Einflussimperium

Dieser in den ersten zwei Folgen angelegte Konflikt ist aber noch längst nicht alles, was Succession ins Visier nimmt. Dass es nicht nur um die Rettung eines Familienunternehmens geht, wird deutlich, als Logan sich allmählich von seinem Schlaganfall erholt und für weitere Zukäufe die lokalen TV-Sender ins Visier nimmt. „Wieso sollten wir nicht alle Nachrichten zeigen?“, so seine rhetorische Frage an die Söhne. Weder auf Romans Einwand, dass Fernsehen passé sei, noch auf Kendalls Hinweis, dass die Kartellbehörden gegen diese Ausweitung ihrer TV-Sparte etwas einzuwenden hätten, will Logan hören. Um den Deal durchwinken zu lassen, stattet Logan dem US-Präsidenten höchstpersönlich einen Besuch im Weißen Haus ab.

Völlig aus der Luft gegriffen ist der in Succession dargestellte direkte Draht eines Medienmoguls zum Staatsoberhaupt keineswegs. Punktuell gibt die Serie preis, was Waystar Royco bei rechter Betrachtung wirklich ist: ein konservatives Einflussimperium mit einem Patriarchen an der Spitze, der das Manipulationsdreieck zwischen Politik, Medien und Bürgern gekonnt zu nutzen weiß. Als Shiv sich dazu entschließt, den Wahlkampf des demokratischen Kandidaten Gil Eavis (Eric Bogosian), eine Art Bernie Sanders, zu unterstützen, ist Logan außer sich. Eavis ist ein harscher Kritiker der Medienmacht von Waystar Royco. Auf der Hochzeit von Shiv kommt es zum Schlagabtausch zwischen den beiden, in dem Gil Logan eine reduktive Sicht auf die menschliche Natur vorwirft. Dieser erwidert: „Ich habe die menschliche Natur nicht geschaffen, aber ich weiß, was sie lesen und schauen. Ich verdiene mein Geld mit dem, was Menschen wirklich wollen.“ Was die Konsumenten der Waystar-Royco-Medien demnach wollen, sind plakative Schlagzeilen und niedrigschwellige TV-Sendungen, die von jedem Kampf um Progressivität ablenken oder ihn torpedieren.

Familienkonflikte mit globalen Folgen

Waystar Royco ist das fiktionalisierte Beispiel eines Medienkonglomerats, das auf mehreren Kontinenten Mehrheitsmeinungen beeinflusst und dirigiert. Führt man sich diese Einflussmacht vor Augen, kommt den Familienstreitigkeiten der Roys in Succession eine besondere Bedeutung zu. Es ist nicht nur faszinierend, die fatale Dynamik innerhalb dieser dysfunktionalen Familie mitzuerleben, an der sich in einer grandiosen Folge ein Familientherapeut (wortwörtlich) die Zähne ausbeißt. Nein, es ist auch beängstigend, wenn Succession die globalen Folgen dieser inneren Zerrüttung andeutet. Das verzweifelte Bemühen der Kinder, dem Vater zu imponieren, die Konkurrenzkämpfe unter ihnen, Logans Wille, weiterhin als starker Mann wahrgenommen zu werden – all diese Elemente lösen Kettenreaktionen aus, die schon in dieser sehr sehenswerten ersten Staffel völlig Unbeteiligte im Mitarbeiterumfeld von Waystar Royco erreichen und versehren. Ob Succession in der für den Sommer angekündigten zweiten Staffel auch darauf eingeht, was passiert, wenn diese Kettenreaktionen die Konsumenten von Waystar Royco erreichen und ihr Bild von der Welt (mit-)bestimmen, bleibt abzuwarten und zu hoffen.

INFOKASTEN ZUR SERIE:
Succession
USA 2018. 10 Episoden in 1. Staffel
Episodenlänge: ca. 60 Min.
Idee / Showrunner: Jesse Armstrong
Kamera: Andrij Parekh
Besetzung: Brian Cox, Jeremy Strong, Kieran Culkin, Sarah Snook, Nicholas Braun, Alan, Ruck, Matthew Macfadyen, Hiam Abbass
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=2bR6xSjOYM8

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Dobrila_KonticDobrila Kontić, M.A., studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften, Englische Philologie und Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin und Journalismus am Deutschen Journalistenkolleg (DJK). Sie betreibt das Onlinemagazin culturshock.de.

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