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Teil II: Tanz mit dem Drachen – Herausforderungen für deutsche China-Korrespondenten

Teil I des Beitrags „Tanz mit dem Drachen“ lesen Sie hier. 

„Klimasünder“, „Schurkenstaat“ – das Bild der Volksrepublik in deutschen Medien ist vor allem negativ besetzt, wie eine Studie der Heinrich Böll Stiftung über die China-Berichterstattung in deutschen Tageszeitungen und Magazinen gezeigt hat. Die deutschen China-Korrespondenten stehen zudem in der Kritik, oft einseitig und stereotypisierend zu berichten. Gleichzeitig müssen sie vor Ort mit schwierigen Bedingungen zurechtkommen: Die innenpolitische Lage in China ist angespannt, die Kontrollen ausländischer Journalisten scharf. Programme und Initiativen in China und Deutschland versuchen, das gegenseitige Verständnis zu fördern und Vorurteile abzubauen.

China erfährt in der Berichterstattung der deutschen Medien eine quantitativ hohe Beachtung. Aber viele Artikel beziehen sich nur in allegorischer und stereotypisierender Form auf die Volksrepublik. Das sind die zentralen Ergebnisse einer 2010 veröffentlichten Studie, die von der Heinrich Böll Stiftung über die China-Berichterstattung in deutschen Medien in Auftrag gegeben wurde.

Professor Thomas Heberer, der die Studie wissenschaftlich mitbetreut hat, betont jedoch: „Nicht die Journalisten sind dafür verantwortlich, dass die Berichterstattung relativ einseitig ist.“ Er sieht die Heimatredaktionen in der Verantwortung: „Sie geben die Aufträge für die Artikel. Wenn Texte zu bestimmten Themen, die dann auch oft negativ besetzt sind, gewünscht werden, dann muss der Journalist natürlich auch entsprechend liefern“, so Heberer.

Die Korrespondenten stehen dabei in einer schwierigen Mittlerrolle. Sie müssen die Realität in China abbilden und die Erwartungen der Redaktionen in Deutschland erfüllen, die oft eine ganz andere Vorstellung von der Situation und den Entwicklungen dort haben. So werden die Bedeutung und Tragweite von Ereignissen in China in der westlichen Welt oft ganz anders eingeschätzt. „Viele Themen, die hier von großer Relevanz sind und die auch Deutschland betreffen, bekommt man in den Heimatredaktionen dagegen oft nicht vermittelt“, sagt Felix Lee, China-Korrespondent der Tageszeitung taz.

Da müsse man oft hartnäckig bleiben und relevante Themen eben häufiger anbieten. Merken könne er das vor allem bei wirtschaftspolitischen Themen in China, deren Ausmaß in der westlichen Welt oftmals nicht ausreichend erkannt würde.

Ein Beispiel ist für Lee auch Taiwan: „In vielerlei Hinsicht repräsentiert Taiwan eine gute chinesische Gesellschaft und zeigt, wie Demokratie in China funktionieren kann“, so Lee. Leider werde das Thema aber mit Nichtbeachtung bestraft. „Das ist für die Zeitungen einfach nicht interessant. Das finde ich bedauerlich“, so Lee.

Oft bietet er dann solche Themen lieber den kleineren und lokalen Blättern an oder verkauft seine Texte an die Medien in der Schweiz oder Österreich.

Andere Kollegen, wie Bernhard Bartsch, veröffentlichen längere Wirtschaftsreportagen oder Portraits von chinesischen Unternehmen in Magazinen wie brandeins. Fachtexte über Gesundheit, Forschung und Innovationen in China finden oftmals ihren Platz in deutschen Wissenschaftsmagazinen.

Gegenseitiges Verständnis aufbauen

Investigative Recherchen sind für deutsche Korrespondenten, aber auch für chinesische Journalisten in der Volksrepublik schwierig und nicht selten auch hoch gefährlich.

Das zeigen Beispiele wie das des ehemaligen deutschen ARD-Korrespondenten Jochen Gräbert im Jahr 2008, der chinesische Kollegen bei ihrer Arbeit begleitete und letztlich selbst in Gefahr geriet.

Auch andere deutsche Journalisten berichten von Bedrohungen oder Druck von chinesischen Behörden. Viele mussten schon häufiger mit auf die Polizeiwache gehen.

Dennoch müssen die deutschen Korrespondenten auch kritisch berichten. In China entstehe aber oft der Eindruck, dass die Berichterstattung in Deutschland gelenkt werde, wenn sich die negative Presse häufe, so Professor Heberer. „Das Verständnis dort für die kritische Berichterstattung ist gering“, sagt Heberer. „China hat eine andere Vorstellung von Pressefreiheit, weil die Menschen es natürlich dort auch nur so kennen.“

Heberer sieht einen Hauptgrund für die Missverständnisse in mangelndem Wissen: „Die Mehrheit in China weiß wenig über Deutschland. Und genauso ist es umgekehrt. Die Deutschen wissen immer noch wenig über das Reich der Mitte.“

Für mehr Verständnis: Das Journalistenaustauschprogramm „Medienbotschafter China-Deutschland“

Ein Programm, das daran etwas ändern möchte, ist das Journalistenaustauschprogramm „Medienbotschafter China-Deutschland“ der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit dem International Media Center Hamburg und der Tsinghua Universität in Peking. Seit fünf Jahren vergibt die Stiftung jährlich 16 Stipendien an chinesische und deutsche Journalisten, die sie für jeweils drei Monate in das jeweils andere Land bringt.

Das Programm verbindet für die Stipendiaten einen Lehrgang an der Universität und ein Praktikum in einer Redaktion des Gastlandes, um damit fundiertes Theoriewissen mit praktischer Erfahrung vor Ort zu verknüpfen.

Verständnis füreinander und Wissen übereinander: Das Ziel des Journalistenaustauschprogramms „Medienbotschafter China-Deutschland“. Quelle/Foto: www.medienbotschafter.de

Felix Lee hat an diesem Programm teilgenommen. Neben ihm wurden drei weitere Journalisten im gleichen Jahrgang in den vergangenen Monaten Korrespondenten in China.

Die Anzahl der Journalisten, die nach dem Programm nach China zurückgekehrt sind, sei es für weitere Recherchen oder gleich als Korrespondent, zeige, dass eine solche Initiative wirklich etwas in Bewegung setze, sagt Lillian Zhang, Programmleiterin des Medienbotschafter-Programms. „Das Bild, das viele Deutsche und Chinesen voneinander haben, wird durch die Medien maßgeblich geprägt und beeinflusst.“ Viele Stipendiaten würden nach dem Programm erzählen, dass sie plötzlich ein ganz anderes China, ein anderes Deutschland, erfahren haben, gegenüber dem, was sie zuvor dachten, so Zhang.

Ein tieferes Verständnis füreinander und ein breiteres Wissen übereinander sei neben der persönlich gemachten Erfahrung das oberste Ziel des Programms. „Das ist eigentlich auch Grundvoraussetzung, wenn ich als Journalist über ein anderes Land berichten möchte“, so Zhang. Nur wer versuche, Zusammenhänge und Hintergründe zu verstehen, könne diese auch einordnen und bewerten. „Das ist sicherlich auch ein Grund, warum Medien Interesse haben, ehemalige Stipendiaten des Programms weiter in China als Journalisten einzusetzen“, so Zhang. Die Medien wissen, dass diese sich bereits mit China auseinandergesetzt und sich ein Bild vor Ort gemacht haben. Sie würden die erworbene Erfahrung und das Wissen in die deutschen Redaktionen hineintragen und dazu beitragen, gewisse Stereotype und Vorurteile abzubauen.

Das Programm gebe erste Einblicke und sei eine gute Vorbereitung. Aber natürlich sei das „echte“ Korrespondentenleben dann nochmals eine Stufe mehr: „Das Arbeiten in China ist viel anstrengender. Viele Dinge, die zu Hause völlig selbstverständlich wären, sind es hier nicht“, sagt Felix Lee. So seien Auskünfte von offiziellen Institutionen oft wenig hilfreich oder gesperrte Internetseiten würden die Recherche behindern.

Lee ist froh, dass er erst an dem Journalistenaustausch teilgenommen hat, bevor er als richtiger Korrespondent zurückkehrte. Schon während des Programms habe er viele Kontakte geknüpft, von denen er jetzt noch zehre. Dennoch: „Man weiß nie, ob der Interviewpartner, der das letzte Mal etwas sagte, heute wieder etwas sagen wird. Man muss darauf achten, Quellen zu schützen.“ Und wenn das nicht funktioniere, sei das manchmal frustrierend. Gleichzeitig müsse man aufpassen, dass sich dies nicht auf die objektive Berichterstattung auswirke.

Ein Dilemma, dass der deutsche China-Autor Christian Y. Schmidt einmal so umschrieb: „Wenn man immer nur mit dem Schwert draufhaut, dann kann man nicht mehr mit dem Florett kämpfen.“

Die Zitate von Felix Lee, Prof. Dr. Thomas Heberer und Lillian Zhang stammen aus persönlichen Gesprächen mit der Autorin dieses Beitrags. 

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

 

Literatur:
Richter C., Gebauer, S., (2010): Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien. Schriften zu Bildung und Kultur, Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.), Berlin.

Die Autorin Sophia Seiderer arbeitet als Wirtschaftsredakteurin für „Die Welt“ und „Welt am Sonntag“ in Hamburg. Sie ist Absolventin der Axel Springer Akademie in Berlin und Preisträgerin des Grimme Awards Online sowie des Axel Springer Preises für junge Journalisten.

Im Jahr 2009 war sie Stipendiatin der Robert Bosch Stiftung im Medienbotschafter-Programm China-Deutschland und hat für die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua in Peking gearbeitet.

Sophia Seiderer hat in München, London und Peking internationale Beziehungen und Kommunikationswissenschaften studiert und ist Alumna der Studienstiftung des Deutschen Volkes.

 

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