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Journalistische Start-ups (Teil 1): Werbung macht’s möglich

Die Zeit des Jammerns ist vorbei: Anstatt über schlechte Arbeitsbedingungen zu lamentieren, kommt es für immer mehr Journalisten infrage, sich selbstständig zu machen. Die „Krautreporter“ sind das prominenteste, aber beileibe nicht das einzige Beispiel für journalistische Gründer in Deutschland. Der Fachjournalist stellt in einem zweiteiligen Beitrag vier journalistische Start-ups und ihre jeweiligen Geschäftsmodelle vor. Im ersten Teil steht die Finanzierung durch Werbung im Vordergrund, im zweiten das Crowdfunding.

Schlanke Strukturen, kleine Teams und die Freiheit, Journalismus nach den eigenen Vorstellungen zu betreiben die Vorteile eines Start-ups liegen auf der Hand. Diese Erkenntis scheint sich auch im Journalismus immer mehr durchzusetzen. Start-ups im Journalismus lassen sich grundsätzlich in ihrer Herangehensweise unterteilen: technisch oder journalistisch. Das niederländische Start-up Blendle hat zum Beispiel eine Plattform geschaffen, auf der Leser Artikel verschiedenster Verlage zu günstigen Preisen erwerben können ­– eine technische Lösung für ein wirtschaftliches Problem. In Deutschland scheint ein solcher Zusammenschluss bisher nicht möglich. Eine weitere Innovation aus den Niederlanden ist „De Correspondent“, ein leserfinanziertes Magazin hinter einer Paywall. „De Correspondent“ gilt als Vorbild für die „Krautreporter“, deren Crowdfunding-Kampagne Mitte Juni erfolgreich endete.

Wie traditionelle Verlage stehen auch journalistische Start-ups vor der Gretchenfrage: Wie kann sich digitaler Journalismus finanzieren? Unsere Autorin Katharina Brunner hat sich vier journalistische Start-ups aus Deutschland einmal etwas näher angeschaut und mit deren Gründern gesprochen. Den Anfang machen ein Lokalmagazin aus Bayern und ein Branchendienst rund um das mobile Leben.

Da Hog’n: Geschichten über Gesichter, die jeder kennt

Da Hog'n Gründer Stephan Hörhammer

Da Hog’n Gründer Stephan Hörhammer (Quelle: Denise Degenhart)

Die Laptops privat, die Privatwohnung als Büro, Webseite und Grafiken von Bekannten zum Freundschaftspreis erstellt: Die Anfänge des Onlinemagazins Da Hog’n im Bayerischen Wald waren bescheiden. „Über den Daumen gepeilt haben wir zwischen 1.000 und 1.500 Euro ausgegeben“, sagt Stephan Hörhammer, der im Sommer 2012 das Magazin zusammen mit Dike Attenbrunner gegründet hat. „Ich musste mich damals neu orientieren und hatte das Gefühl, dass die Zeit reif ist.“ Ein Existenzgründungszuschuss der Agentur für Arbeit half dem damals arbeitslosen Journalisten die ersten Monate zu überbrücken, denn zu Beginn war es mühsam, Werbekunden zu gewinnen: „Du musstest immer erklären, wer du bist und was du machst. Das war schon eine Mammutaufgabe.“

Namensgeber des Magazins ist ein altbayerischer Begriff, der einen Ast mit einer Einbuchtung bezeichnet, in dem früher Nachrichten von Haus zu Haus getragen wurden. Die Ressorts ähneln der klassischen Zeitung: Politik, Sport, Kultur. „Am häufigsten geklickt werden die Geschichten über Gesichter, die jeder kennt. Keine Politiker, sondern Menschen, die das Ortsbild prägen“, sagt Hörhammer. Terminjournalismus und Vereinsberichterstattung gibt es nicht, stattdessen oft lange Interviews. Zielgruppe: Die Bewohner des Bayerischen Waldes. „Die Seite ist aber auch Anlaufpunkt für Exil-Waidler.“

Da Hog’n gehört zum Typus der Lokalblogs: kleine Medien, die die Berichterstattung der Printmedien eher ergänzen als ersetzen. Hörhammer und die Mitarbeiter Helmut Weigerstorfer und Eva Hörhammer haben bei der örtlichen Monopolzeitung, der Passauer Neuen Presse, volontiert, die mittlerweile ausgestiegene Mitgründerin Dike Attenbrunner war dort freie Mitarbeiterin. Die Verbindung zur lokalen Presse ist also eng – gelegentliche Seitenhiebe in den Artikeln inklusive. „Wir wollten die Medienlandschaft im Bayerischen Wald bereichern und das Experiment wagen. Das hätte auch schief gehen können, aber es hat geklappt“, sagt Hörhammer.

Auch der Start von Mobilbranche.de war als Versuch ausgelegt. „Die Gründung war eine lockere Bauchentscheidung“, sagt Florian Treiß drei Jahre später. Nach drei Wochen Vorbereitungszeit fing er im Frühjahr 2011 an, einen täglichen Newsletter rund um mobile Geschäftsmodelle zu verschicken. Darin geht es zum Beispiel um Werbung auf Smartphones, Bezahl-Apps oder den Markt für Spiele auf Handys und Tablets. „Das Thema ‚Mobile‘ wurde damals immer wichtiger und ich habe mich gewundert, dass es dafür noch keinen eigenen Branchendienst gibt.“

Mobilbranche.de: täglicher Newsletter als Erfolgsrezept

Mobilbranche.de-Gründer Florian Treiß

Mobilbranche.de-Gründer Florian Treiß (Quelle: Mobilbranche.de)

Erfahrung mit dem Newsletter-Modell hatte Treiß bereits: Seit 2007 arbeitete er bei Turi2, einem Fachdienst für die Medienbranche. Sein damaliger Chef, Peter Turi, hat ihn unterstützt: Treiß hat weiter bei Turi2 gearbeitet, aber die Stundenzahl über ein Jahr hinweg immer mehr reduziert. „So konnte ich ausprobieren, ob ich davon leben kann.“ Und das klappt gut: Der kostenlose Newsletter hat mittlerweile 5.000 Abonnenten. Geld verdient er vor allem mit Werbung. „Wir setzen auf das B2B-Geschäft, in dem naturgemäß deutlich besser bezahlt wird“, so Treiß.

Die Basis seiner Geschäfts sind Anzeigenkunden: „Die Werbung wird den registrierten Abonnenten direkt ins Postfach zugestellt“, bewirbt Treiß seinen Dienst. Die Preise dafür starten bei 150 Euro für eine sogenannte Ticker-Anzeige im HTML-Newsletter. Neben klassischer Werbung im redaktionellen Umfeld setzt die „Treiß Media Unternehmergesellschaft“ auf Events und Seminare. Ein Hauptsponsor der sogenannten „Mobilisten Talks“ ist mit 10.000 Euro dabei, eine Teilnahme an einem eintägigen Workshop mit Branchengrößen kostet 450 Euro.

Native Advertisment als Chance

Auch im Bayerischen Wald generieren Anzeigen den Großteil der Einnahmen. Von Treiß’ Preisen kann Hörhammer allerdings nur träumen: Beim Hog’n kostet das größte Banner für eine Woche etwa so viel wie Treiß’ günstigstes Angebot für einen Tag. Dennoch laufen die Geschäfte gut: Mittlerweile sind neben  Hörhammer zwei Redakteure fest angestellt.

Weniger gut läuft hingegen die Finanzierung über die Leserschaft: Etwa 60 Personen zahlen ein paar Euro im Monat – nicht einmal ein Prozent der über 8.000 Facebook-Fans. Crowdfunding steht deshalb nicht zur Debatte.

Dem anderen vermeintlichen Allheilmittel der Branche stehen sie dagegen offen gegenüber: Native Advertisment, bezahlte Inhalte in redaktionellem Kleid. Redaktionsmitglieder spielen für rund 150 Euro Paintball, testen Restaurants oder machen Urlaub auf dem Bauernhof. „Mit den Auftraggebern wird ganz klar im Vorfeld kommuniziert, dass wir keine Gefälligkeitsberichte schreiben, sondern auch darüber, wo der Schuh drückt und wo es Verbesserungspotenzial gibt“, sagt Hörhammer. In der Vergangenheit hat er sich schon öfter den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass er solche Beiträge nicht ausreichend kennzeichnet. „Die Kritik an Native Advertisment ist irgendwo berechtigt, ja – moralisch verwerflich finden wir das aber nicht.“ Nicht zuletzt, weil das Feedback der Leser positiv ist, so Hörhammer: „Die Leser nehmen das an und sind dankbar, wenn sie sich unter einem Angebot etwas vorstellen können.“

Zunächst keine Trennung von Redaktion und Geschäft

Auch bei Mobilbranche gab es die Trennung zwischen Redaktion und Management, die vielen als für guten Journalismus unerlässlich gilt, lange Zeit nicht. „Wenn man mit schlanken Strukturen startet, kann man nicht als Erstes einen Werbeverkäufer einstellen“, sagt Treiß. Er hat sich eine pragmatische Lösung einfallen lassen: „Am Telefon sage ich: Sie sprechen jetzt mit mir in der Rolle als Werbeverkäufer.“

Obwohl Werbekunden nie versucht hätten, seine Berichte zu beeinflussen, musste er sich bei einem Panel auf der „Besser Online“-Konferenz 2013 ins Kreuzfeuer nehmen lassen: „Da waren ein paar moralisierende Leute im Publikum, die meinten, dass Journalisten keine Werbung verkaufen dürfen.“ Treiß plädiert für mehr Realismus, schließlich sei gerade der Onlinejournalismus von Anzeigenkunden querfinanziert. Inzwischen spiele dieses Problem keine große Rolle mehr: Treiß hat zwei festangestellte Redakteure, die sich um die Inhalte kümmern. Er selbst betreibt das Geschäft: „Das war aber die ersten zweieinhalb Jahre anders.“

Fazit: Nischen erfolgreich besetzt

Die Gründer von Da Hog’n und Mobilbranche.de haben mittlerweile beide expandiert: Die Redaktion von Da Hog’n ist aus dem Zimmer in Hörhammers Wohnung ausgezogen und residiert in einer schicken Bürogemeinschaft am Marktplatz der 7.000-Seelen-Stadt Freyung. Die Berichterstattung haben sie auf einen zweiten Landkreis, den Nachbarlandkreis Regen, erweitert. Treiß hat mit Location Insider einen zweiten Branchendienst für Handel und Dienstleistungen mit Ortsbezug gegründet: Location Insider ging bereits mit zwei Sponsoren an den Start. „Wir sind deshalb nicht darauf angewiesen, jeden Tag Anzeigen zu verkaufen“, so Treiß. Noch sei Platz für weitere Branchendienste, ist sich der Journalist sicher: „Es gibt ein paar Nischen, die noch nicht besetzt sind.“

Im zweiten Teil des Beitrags über journalistische Start-ups erfahren Sie, wie sich das Wissenschaftsmagazin „Substanz“ und der Basketball-Podcast „Got Nexxt“ über Crowdfunding finanzieren. Außerdem verraten die Start-up-Gründer, was man beim Sprung in die Selbstständigkeit beachten sollte.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Brunner_KatharinaDie Autorin Katharina Brunner studiert Volkswirtschaftslehre in Regensburg und befasst sich mit Netzökonomie und digitalem Journalismus. Unter katharinabrunner.de bloggt sie, auf Twitter ist sie unter dem Namen @cutterkom zu finden. Sie schreibt unter anderem für die Netzpiloten und Da Hog’n.

Kommentare
  1. Leviathan Z. sagt:

    Seriös und unabhängig mit „Native Advertisment“ ? Ja klar! Da hat man eine Chance vertan, wirklich eine freie Presse zu sein. Stattdessen wird Geld eingetrieben, indem man mal schnell was „testet“ und sich dafür bezahlen lässt.

    • Katharina Brunner sagt:

      Ich denke nicht, dass sich Native Advertising und Unabhängigkeit oder Seriösität kategorisch ausschließen müssen. Entscheidend ist für mich, damit maximal transparent umzugehen: Ist klar erkennbar, dass Geld fließt? Hat der Beitrag einen Nutzen für das Publikum? Wer schreibt? Von welcher Firma kommend? usw.

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