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Journalistische Start-ups (Teil 2): Wenn Leser Magazine mitfinanzieren

Im zweiten Teil des Beitrags über Start-ups im Journalismus (Teil 1 hier) stehen zwei Projekte im Mittelpunkt, die eine Gemeinsamkeit haben: Bei beiden treten Leser in Vorleistung, um Fachmagazine möglich zu machen.

Spezielle Themen haben eine kleine, aber eingeschworene Fan- und damit Lesergemeinde. Diese kann zur Finanzierung von entsprechenden Journalen genutzt werden: Das Schlagwort ist „Crowdfunding“. Das Wissenschaftsmagazin „Substanz“ und das Basketballmagazin „Got Nexxt“ wurden so erst möglich.

Substanz: Crowdfunding als Anschubfinanzierung

Die Substanz-Gründer Denis Dilba und Georg Dahm

Die Substanz-Gründer Denis Dilba und Georg Dahm (Quelle: „obs/Fail Better Media GmbH/Tinka und Frank Dietz“)

„Es ist gerade eine neue Gründerzeit im Journalismus und wir können uns keinen Job vorstellen, den wir in diesem Moment lieber machen würden“, sagt Georg Dahm. Als er und Denis Dilba im März 2014 ihr Crowdfunding-Ziel von 30.000 Euro für ein digitales Wissenschaftsmagazin locker erreichen, sind sie längst Stars in der kleinen deutschen Szene, die sich für Innovationen im Journalismus interessiert. Ihr Projekt Substanz ist damit das zweiterfolgreichste Projekt in der Kategorie Journalismus auf der deutschen Crowdfunding-Plattform Startnext.

Gerade biegen die Substanz-Macher auf die Schlussgerade ein: Im September soll die erste Ausgabe des digitalen Wissenschaftsmagazins als Web-App, Android- und iOS-Applikation erscheinen. Zurzeit denken sie über das Volumen nach: Was ist eine gute Anzahl von Artikeln pro Woche? Eines steht schon fest: Besonders viele werden es nicht sein. „Wir wollen die Luxusschokolade sein, von der man sich ein Stück zum Wochenende gönnt.“

Got Nexxt: Kontinuierliche Zahlungen anstatt einmaliges Crowdfunding

Abseits der journalistischen Filterblase läuft in diesem Sommer eine weitere Crowdfunding-Aktion. Der Sportjournalist André Voigt betreibt seit vier Jahren mit Got Nexxt den erfolgreichsten Basketball-Podcast in Deutschland – ohne Bezahlung. Zwischen 12.000 und 13.000 Zuhörer hat er pro Folge, die er kostenlos über iTunes, seine Webseite und Youtube verbreitet. „Ich stellte mir immer wieder die Frage: Kann ich mir diesen Aufwand als freier Redakteur dauerhaft ohne Einnahmen leisten?“

Got Nexxt-Gründer André Voigt

Got Nexxt-Gründer André Voigt (Quelle: privat)

Sein Geld verdient Voigt seit 2008 als freier Chefredakteur des Basketballmagazins FIVE. „Das ist eine Art 11 Freunde des Basketballs.“ Werbung im Podcast war keine rentable Option: Er sei kein „Top-Vermarkter“. Ein Hörer habe ihn dann auf die US-amerikanische Crowdfunding-Plattform Patreon hingewiesen, mit der kontinuierliche, monatliche Zahlungen möglich sind. Zusammen mit Personen, die ihn mit Daueraufträgen unterstützen, kam Voigt so im August auf knapp 3.000 Euro, abzüglich Steuern, Kreditkartengebühren und die Provision von fünf Prozent an Patreon. Mit dem Geld ging etwa vier Wochen nach dem Start der Crowdfunding-Aktion im Juli ein Basketball-Magazin an den Start. Geplant sind neben Texten auch Videos und natürlich Podcasts.

Zugang nur für zahlende Kunden

Im Gegensatz zu den prominenten „Krautreportern“, die trotz verkaufter Abonnements ihre Inhalte frei anbieten wollen, sollen Voigts Basketball-Magazin und das Wissenschaftsmagazin aus Hamburg nur für zahlende Kunden zugänglich sein: Der Preis für eine Ausgabe von Substanz soll deutlich unter fünf Euro liegen. Got Nexxt hat keinen festen Preis: Egal ob ein oder 100 Euro – wer zahlt, bekommt Zugang. Im Durchschnitt geben die über 1100 Unterstützer etwa 2,70 Euro. „Ich gehe davon aus, dass noch Leute dazukommen, wenn es die ersten Artikel gibt und sie zumindest in den bereitgestellten Auszügen auf der Webseite die Qualität sehen. Wachstumsraten wie in den ersten Wochen wird es aber nicht mehr geben“, meint Voigt.

Start-up statt Doppelhaushälfte

Während Konsumenten Got Nexxt vollständig finanzieren, ist das Geld der Leser bei Substanz nur ein Teil des Startkapitals. „Crowdfunding war der zweite Baustein. Mit diesem Geld finanzieren wir den Start und wir erhöhen unsere Eigenkapitalquote“, sagt Dilba. Für die Entwicklung hatten Dilba und Dahm bereits eigene Reserven geopfert. Die dritte Komponente sind Kredite und ein Privatinvestor. Denn die beiden rechnen in den nächsten drei bis fünf Jahren mit weiterem Finanzierungsaufwand. „Wenn es nicht klappt, sind wir auf ein paar Jahre verschuldet. Das ist dann eben so. Andere Leute zahlen ihr Haus ab, wir unser Experiment“, sagt Dahm.

Neben den Einnahmen durch verkaufte Abos setzen die beiden Gründer auch auf Werbung: „Der Vorteil ist, dass wir in der Crowdfunding-Kampagne leichter beschreiben konnten, was wir vorhaben. Der Nachteil ist die spitzere Zielgruppe – da muss man den Anzeigenkunden erklären, dass sie zwar sehr interessierte Leser erreichen, aber eben kein Millionenpublikum“, sagt Dilba. Wie fast alle journalistischen Start-ups sind auch die Substanz-Macher in Personalunion für Redaktion und Verlagsgeschäft zuständig. Diese Konstellation ist für sie eher Chance als Gefahr: „Wir verstehen uns als Verleger im guten, klassischen Sinn.“

Und in Zukunft?

Sowohl Substanz als auch Got Nexxt sollen in Zukunft nicht von den Gründern alleine getragen werden. Fest angestellt sind bei der „Fail Better Media GmbH“, so nennt sich das Unternehmen hinter Substanz, zwar nur Dahm und Dilba, ihr Netzwerk an Mitarbeitern umfasst aber rund ein Dutzend Personen, neben Journalisten auch Gestalter, Entwickler oder Übersetzer. Voigt hat Basketball-Blogger rekrutiert, die für ihn schreiben sollen: „Mein Ziel ist es, mit ein bisschen Geld auch anderen guten Leuten eine Plattform und eine Perspektive zu geben, damit sie über ihre Leidenschaft schreiben können.“

Und es zeigt sich: Die deutsche Basketball-Community ist bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Fast 41.000 Euro hat sie aufgebracht, um Spiele der ersten Bundesliga zu streamen – Substanz kostete das Platz eins in der Kategorie Journalismus bei Startnext –, und Voigt selbst haben seine Hörer bereits zweimal zu den Finalspielen der amerikanischen Liga NBA geschickt. Wie kommt diese Zahlungsbereitschaft zustande? „Im Basketball gibt es eine Community, die in deutscher Sprache nur an wenigen Stellen wirklich qualitativ hochwertigen Journalismus bekommt“, sagt Voigt, der sich darüber schon lange ärgert. Und das Publikum vertraut dem ehemaligen Basketball-Profi: „Sie hören meine Stimme, können Fragen stellen und über Facebook in Kontakt bleiben. Es ist wichtig, dass der Konsument weiß, wer da spricht und schreibt.“

Resümee: Je spitzer die Nische, desto besser

Vier Fallbeispiele, vier Möglichkeiten, Journalismus im Internet zu verkaufen: Abos, Werbung, Events,  Crowdfunding. Bis auf die reine Leserfinanzierung von Got Nexxt kombinieren alle vorgestellten Projekte mindestens zwei dieser Geldströme. Der Erfolg solcher auf Mischkalkulation basierender Geschäftsmodelle entspricht den Beobachtungen einer finnischen Studie, die erfolgreiche Geschäftsmodelle von journalistischen Start-ups untersucht hat: „Die meisten der 69 Fallstudien haben ihren Ertrag diversifiziert, indem sie mehr als eine Einkommensquelle haben.”

Neugründungen können auf verschiedenen Ebenen beginnen: als Nebenerwerb wie bei Mobilbranche.de, als Hobby wie bei Got Nexxt, als beruflicher Neustart wie bei Da Hog’n oder als großangelegtes Wissenschaftsmagazin mit mehreren Monaten Vorbereitungszeit wie bei Substanz. Doch eines haben alle vier gemeinsam: Sie bedienen Nischen, die sich durch Interessen, Branchen oder Geografie definieren. Es ist gerade dieser sogenannte „Long Tail“, der erst durch die geringen Einstiegskosten im Internet bedient werden kann. Als Daumenregel für journalistische Start-ups gilt: Je spitzer die Nische, desto besser. Gute Aussichten also für Fachjournalisten.


Tipps von den Gründern:

 Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer (Da Hog’n)

  • Sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren und outsourcen, was man nicht selbst kann: sich spezifische Kenntnisse anzueignen, kostet zu viel Zeit.
  • Nicht lügen und sich selbst treu bleiben.
  • Immer an die Sache glauben: Es werden sicher Momente des Zweifels und des Frusts kommen.

 Florian Treiß (Mobilbranche.de)

  • Nicht auf externe Werbesysteme verlassen: Unterm Strich ist der Tausend-Kontakt-Preis (TKP) so gering, dass man eine Millionenreichweite braucht, um ernsthaft Geld zu verdienen.
  • Im Vorfeld Sponsoren suchen, die einem gleich beim Start unterstützen: Ein Partner zieht weitere Partner an.
  • So früh wie möglich starten und Reichweite aufbauen.

 Georg Dahm und Denis Dilba (Substanz)

  • Einen Dummy bauen: Es ist schwer, Leuten, die nicht in den Medien arbeiten, eine redaktionelle Idee zu erklären.
  • Auf schmerzhafte unternehmerische Entscheidungen wie die Trennung von Mitarbeitern oder Dienstleistern vorbereitet sein.
  • Sehr kritisch gegenüber allen Aussagen von Bankberatern sein.

André Voigt (Got Nexxt)

  • Einfach machen und Vollgas geben.
  • Neue Technologien clever nutzen.
  • Leute fragen und sich eingestehen, wenn man etwas nicht selbst machen kann.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Brunner_KatharinaDie Autorin Katharina Brunner studiert Volkswirtschaftslehre in Regensburg und befasst sich mit Netzökonomie und digitalem Journalismus. Unter katharinabrunner.de bloggt sie, auf Twitter ist sie unter dem Namen @cutterkom zu finden. Sie schreibt unter anderem für die Netzpiloten und Da Hog’n.

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  1. […] CROWDFUNDING Fachjournalist: Crowdfunding im Journalismus – wenn Leser Magazine mitfinanzieren: Auf Fachjournalist.de schreibt unsere Autorin Katharina Brunner über journalistische Startups. Im ersten Teil ihrer zweiteiligen Artikelserie stand die Finanzierung durch Werbung im Vordergrund. Doch Werbung ist nicht der einzige Weg, um mit Journalismus Geld zu verdienen. Im zweiten Teil ihrer damit beendeten Artikelserie stellt sie journalistische Crowdfunding-Projekte vor, bei denen die Leser die Magazine mitfinanzieren. […]

  2. […] seine Hörer unterstützen, die Summe ist egal. Dafür bekommen sie Zugang zu einem ergänzenden Magazin: “Der Podcast wird immer kostenlos sein“, sagt Voigt. Das Ergebnis: 3000 Euro pro […]